Gastfamilien bieten 70'000 Betten an. Bis jetzt hat die Flüchtlingshilfe jedoch bloss 1300 Geflüchtete in privaten Haushalten platziert. Direktorin Miriam Behrens erklärt, weshalb die Vermittlung seine Zeit braucht.
Der russische Angriffskrieg hat Millionen Ukrainer in die Flucht getrieben. Bis jetzt hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) rund 7600 geflüchteten Menschen aus der Ukraine, zum grössten Teil Frauen und Minderjährigen, den Schutzstatus S ausgestellt. Diese Personen erhalten ein vorläufiges Aufenthaltsrecht, haben sofort Zugang zum Arbeitsmarkt und müssen kein ordentliches Asylverfahren durchlaufen. Jeden Tag bearbeitet das SEM rund 1000 neue Dossiers. Bis Juni rechnet der Bund mit bis zu 50'000 ukrainischen Geflüchteten.
Das SEM hat die Zahl der Betten in Bundesasylzentren von 4000 auf 9000 hochgefahren. Das genügt aber nicht, um den Andrang zu bewältigen. «Wir gehen davon aus, dass wir zusätzliche 2000 bis 3000 Plätze benötigen», sagte David Keller, Leider Krisenstab Asyl, am Donnerstag vor den Medien in Bern. Gespräche mit dem Verteidigungsdepartement seien im Gang. Letzteres teilte am Donnerstag mit, das SEM könne diverse Unterkünfte mit Hunderten Plätzen für längere Zeit nutzen.
In der Regel verbringen die Geflüchteten in den Bundesasylzentren ein bis drei Tage; danach kümmern sich die Kantone um sie. Diese haben in den letzten Wochen 7500 zusätzliche Plätze organisiert, wie Gaby Szöllösy sagte. «Im Moment können wir noch alle unterbringen», so die Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren. Gross ist auch das private Engagement. Bis am Donnerstag hat die Schweizerische Flüchtlingshilfe in Zusammenarbeit mit den anderen Organisationen gut 28'000 Gastfamilien registriert, die 70'000 Personen Platz bieten. Weitere 30'000 Betten stehen in mehr als 500 Hotels zur Verfügung.
Könnten die Kantone die Unterbringung ohne die private Hilfsbereitschaft stemmen? Diese Frage könne man im Moment nicht beantworten, sagt Szöllösy. Man wisse nicht, wie viele Menschen aus der Ukraine bei Gastfamilien Unterschlupf gefunden hätten. Der Grund ist einfach. Ukrainerinnen und Ukrainer dürfen sich 90 Tage lang ohne Visum in der Schweiz aufhalten.
Geflüchtete können sich damit unter dem Radar der Behörden bei Privaten einquartieren. Teilweise klopfen sie bei Verwandten und Bekannten an – oder finden via soziale Medien eine Gastfamilie. Das bedeutet auch: Wie viele geflüchtete Ukrainer und Ukrainerinnen sich aktuell in der Schweiz aufhalten, weiss niemand so genau.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe in Zusammenarbeit mit den Behörden koordiniert die Vermittlung der Geflüchteten an Gastfamilien. Über diesen offiziellen Kanal fanden bis jetzt erst 1300 Personen bei 537 Gastfamilien ein neues Zuhause. Das töne nach wenig, sagte Miriam Behrens an der Pressekonferenz.
Die Direktorin der Flüchtlingshilfe schob nach, die Vermittlung benötige Zeit. Unter anderem müsse man die Bedürfnisse der Geflüchteten und Gastfamilien abklären, ein passendes Angebot für Geflüchtete finden und Sicherheitsfragen checken. So verlangt die Flüchtlingshilfe von allen Gastfamilien einen Strafregisterauszug. Behrens rät Geflüchteten davon ab, sich via soziale Medien ein Dach über dem Kopf zu suchen – es bestehe Missbrauchsgefahr.
Der Bundesamt für Polizei hat das Thema Menschenhandel und Ausbeutung auf dem Radar. Und Justizministerin Karin Keller-Sutter sagte am Donnerstag am Rande eines Besuchs des Bundesasylzentrums in Basel.
«An den Bahnhöfen werden Flüchtlinge abgepasst, ihnen wird ein lukrativer Job versprochen und dann verschwinden sie.»
Auf Nachfrage, ob dies in der Schweiz geschehen sei, blieb sie vage. Das Fedpol habe Fälle gemeldet. Und die Behörden seien sensibilisiert, sagte Keller-Sutter. Die kantonalen Polizeien wollten ihre Präsenz an den Bahnhöfen verstärken. Bekannt ist, dass am Bahnhof Berlin vereinzelt dubiose Männer, polizeilich bekannt wegen sexueller Nötigung, gezielt alleinreisenden Frauen eine Unterkunft anboten.