Im Minutentakt hat Finanzminister Ueli Maurer das K-Wort gebraucht: Kompromiss. 16 Mal, um genau zu sein. Bei 17 Minuten Redezeit.
Das sagt eigentlich fast alles über die Debatte zur Steuervorlage 17 (SV17) aus – die seit Donnerstag offiziell anders heisst. Der Ständerat hat die Vorlage oppositionslos umgetauft: «Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung» ist der neue Name. Nach der abgelehnten Unternehmenssteuerreform III (USR III) und dem ungeliebten Nachfolgeprojekt SV17 nun also das STAF.
Was wurde bei der USR III noch über technische Details gestritten: Patentbox, Zinsbereinigte Gewinnsteuer, Inputförderung. Was wurde über Prozentzahlen gefeilscht bei der Dividendenbesteuerung oder der Entlastungsgrenze. Gestern, beim STAF, gab es eigentlich nur ein Thema: Darf man das? Darf man eine Steuervorlage mit der Finanzierung für die AHV verknüpfen, um sie mehrheitsfähig zu machen, also zu kaufen? Juristisch gesprochen, ging es um die Einheit der Materie. Politisch um das Wesen des Kompromisses und die Frage, wie geht eigentlich Politik?
Die Mehrheiten zum STAF waren erdrückend, die Debatte aber ausufernd. Das kürzeste und ungewöhnlichste Votum hielt die Waadtländer SP-Ständerätin Géraldine Savary. Sie bedankte sich bei den Kollegen aus der vorberatenden Wirtschaftskommission für ihre Arbeit und ihre Kreativität bei der Suche nach einer Lösung. Savary gehört zweifellos zu jenen, welche den AHV-Steuer-Deal als «Sternstunde der parlamentarischen Arbeit» einstuften, wie es ihr Solothurner ParteikollegeRoberto Zanetti ausdrückte.
Die Sternstunde wurde mehrfach erwähnt. Doch auch von jenen, die die Verknüpfung eben gerade nicht als «Sternstunde der Demokratie» verstanden (Hannes Germann, SVP/SH) und dem Kompromiss ganz einfach aus pragmatischen Gründen zustimmten. Weil die Reform der Unternehmenssteuern dringlich ist, die Unternehmen nach Rechtssicherheit lechzen. Zu diesen pragmatischen Befürwortern zählt auch Martin Schmid (FDP/GR). Der Freisinnige machte aus seinem Missfallen keinen Hehl. Er habe dieser Lösung zugestimmt, weil sie «am meisten Unzufriedenheit zurücklässt». Manchmal sei das gar nicht schlecht für ein politisches Projekt, so Schmid. Kommissionspräsident Pirmin Bischof (CVP/ SO) schliesslich sagte, dass das Paket nicht der Weisheit letzter Schluss sei – aber halt doch die beste Lösung, solange keine Alternative vorliege.
Es gab dann doch noch ein paar Skeptiker, die den Gottesdienst der K-Politiker störten: «Das ist Birchermüesli-Politik, da mache ich nicht mit», sagte Thomas Minder, der als Parteiloser zur SVP-Fraktion gehört. «Das ist eine Bankrotterklärung, wenn wir anfangen, mit Geschenken Mehrheiten zu erkaufen», meinte Werner Luginbühl (BDP/BE) und Alex Kuprecht (SVP/SZ) sprach von einem Sündenfall. «Derartige gesetzgeberische Mauscheleien und Schlitzohrigkeiten werden auf die Dauer nicht von Erfolg gekrönt sein.» Er forderte die Rückkehr zu einer sauberen Parlamentsarbeit, auch wenn sie den Bürgern schwierig zu erklären sei.
SVP-Magistrat Maurer, dessen Partei nicht gerade für ihre Kompromissfähigkeit bekannt ist, setzte zu einer eigentlichen Lobrede auf den Kompromiss an. Für die Steuerreform brauche es nicht nur die Lehrbücher der Steuerpolitik, sondern eben auch ein Lehrbuch zur Kunst des politischen Kompromisses.
Der Bundesrat erzählte dazu eine Anekdote von einem asiatischen Notenbankchef, den er kürzlich traf. In dessen Büro hängt ein Ölgemälde von Eiger, Mönch und Jungfrau. Weshalb? Weil er streitenden Parteien die Kunst des politischen Kompromisses immer am Beispiel der Schweiz erkläre. Ein Kompromiss, hat er gesagt, sei eine politische Kunst. Die Schweizer würden das so gut machen, dass die Politik nachher stabil sei wie die Berge. Die K-Schweizer eben.