Natalie Rickli wollte alles perfekt machen – und scheiterte. Jetzt hat sie ein Burnout und tritt kürzer. Politiker machen teilweise das Milizsystem verantwortlich. Die Belastung sei zu gross.
«Burnout – nie hätte ich gedacht, dass mir das passieren könnte.» Mit diesen Worten teilte Natalie Rickli der Öffentlichkeit am Donnerstagabend per Facebook mit, weshalb ihr Sitz im Nationalratssaal diese Woche leer geblieben ist. Ihr Sitznachbar, SVP-Nationalrat Felix Müri, stimmt ein Loblied an, wenn er über Rickli spricht: Jung, gut aussehend, erfolgreich und das beste Wahlresultat bei den Nationalratswahlen: «Sie will alles perfekt machen», sagt Müri. Bei den Orts- und Kantonalparteien sei sie so beliebt, dass sie ständig Einladungen erhalte.
Parteiintern übernahm Rickli viele Aufgaben, auf Facebook und Twitter war sie dauernd im Gespräch mit Anhängern, Kritikern und den Medien. Jetzt sieht Müri auch die Schattenseiten. «Sie konnte nicht Nein sagen.» Mit ihrer klaren Meinung gegen die Fernsehgebühren oder in der Debatte um die Einwanderung Deutscher habe sich Natalie Rickli exponiert. «Da kommen schnell Briefe. Das geht nicht alles spurlos an einem vorbei», sagt Müri. Privatleben, Politik und Beruf aneinander vorbeizubringen – für Müri ist das im Milizsystem keine leichte Herausforderung. «Viele unterschätzen das Mandat», sagt er.
Druck aufs Milizsystem
Das Milizsystem – eine Belastung: Auch Nationalrat Balthasar Glättli von den Grünen empfindet das so: «Wir müssen nun unbedingt in eine Debatte über mehr personelle Unterstützung für uns Parlamentarier einsteigen.» Die Komplexität der politischen Geschäfte, Medienanfragen, der enorme Wissensvorsprung der Verwaltung sowie Facebook und Twitter – die knapp 30000 Franken Entschädigung für persönliche Mitarbeiter sind dem Zürcher zu wenig. «Eigentlich müsste man halbtags jemanden fürs Organisatorische, aber auch für Recherchen anstellen.»
Glättli selber kennt die hohe Belastung als Politiker und Twitterer der ersten Stunde. Kein Parlamentarier verbreitet mehr Tweets als der Zürcher. Sukkurs erhält Glättli vom auf sämtlichen Kanälen aktiven Sozialdemokraten Cédric Wermuth. Für ihn übersteigt die Arbeitsbelastung das Ideal eines Milizparlaments.
Doch wie verhindern die beiden Politiker ein Burnout? «Ich höre auf Signale meines Körpers», sagt Wermuth. Und Balthasar Glättli erklärt, aus Selbstschutz ab einem gewissen Punkt nicht noch mehr Debatten über Twitter anzuzetteln. Denn: «In sozialen Medien muss man diese führen und das kann irgendwann zu anstrengend werden.»