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Schweiz
Nicht nur in Hongkong, sondern auch in der Schweiz wird über den Umgang mit China gestritten. Gestern hat der Ständerat entschieden, dass die Schweizer Wirtschaft mehr Schutz vor dem Riesenreich braucht.
Eine Mauer gegen China: Das braucht die Schweiz in den Augen des Ständerats. Er hat gestern einen Vorstoss des Walliser CVP-Ständerats Beat Rieder gutgeheissen, der die Einführung von Investitionskontrollen fordert. Die Schweiz soll eine Genehmigungsbehörde erhalten, die ausländische Investitionen prüft – und eingreift, wenn das nötig ist, wobei die Details noch offen sind. Genau wie die Zustimmung des Nationalrats, der das Geschäft nun beraten wird.
Den Anstoss zu Rieders Vorstoss gab unter anderem die Übernahme einer Reihe von Schweizer Firmen durch staatlich kontrollierte und finanzierte Unternehmen aus China. Jene des Schweizer Agrochemieriesen Syngenta durch den Staatskonzern Chem China etwa, Kostenpunkt: 43 Milliarden Dollar. Übernahmen wie diese haben in der Schweiz Ängste genährt, dass die Kronjuwelen der hiesigen Wirtschaft bald allesamt in fremden Händen landen. Und damit Arbeitsplätze und Know-how verloren gehen.
Dagegen, das hat der Ständerat gestern mit 22 zu 18 Stimmen bei 2 Enthaltungen beschlossen, soll sich die Schweiz künftig wehren können. Vor allem Vertreter der CVP und SP verhalfen der Idee einer Genehmigungsbehörde zum Durchbruch. Allerdings soll diese nur in bestimmten Fällen eine Kontrolle durchführen, das betonen auch die Befürworter. Motionär Beat Rieder nennt als Kriterien etwa «die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung» – oder die fehlende Reziprozität. Will heissen: Wenn Schweizer Firmen im besagten Land nicht die gleichen Rechte haben. Wirtschaftsvertreter wie FDP-Ständerat Ruedi Noser argumentierten vergeblich, dass die meisten Länder dankbar wären, wenn bei ihnen investiert würde. Auch der Widerstand von Wirtschaftsminister Guy Parmelin, der unterstrich, dass der Bund bereits im Besitz zahlreicher Firmen im Bereich der kritischen Infrastrukturen sei und diese daher vor einer Übernahme geschützt seien, blieb wirkungslos.
Mit seinem Entscheid für die Einführung von Investitionskontrollen setzt der Ständerat ein Ausrufezeichen in einer Debatte, die immer mehr Fahrt aufnimmt. Es geht um die Frage, wie die Schweiz umgehen soll mit China, dem asiatischen Riesen, der wächst und wächst und an Einfluss gewinnt. Das Parlament hat hier schon mehrfach klargemacht, dass es mit dem Vorgehen des Bundesrats nicht zufrieden ist.
Die Schweiz hat in den letzten Jahren ihre Beziehung mit China vertieft, was sich in der Handelsbilanz zeigt: Noch im Jahr 2012 betrug der Wert der Exporte rund 9,3 Milliarden Franken; 2018 waren es bereits über 29 Milliarden. China ist heute das drittwichtigste Exportland für die Schweiz. Gleichzeitig hat das Land im letzten Jahr Waren im Wert von 14,4 Milliarden in die Schweiz verkauft.
Der wirtschaftliche Boom ist auch ein Ergebnis des Freihandelsabkommens, das seit 2014 in Kraft ist – und damit des guten politischen Drahts zwischen Bern und Peking. Zuletzt war Bundespräsident Ueli Maurer im April in China zu Gast. Die Gespräche drehten sich um eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit. So diskutierte Maurer mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping eine Erweiterung des Freihandelsabkommens. Daneben unterzeichnete Maurer in China ein sogenanntes «Memorandum of Understanding» im Zusammenhang mit dem chinesischen Seidenstrassen-Projekt.
Im Bundesparlament betrachten viele Politiker die bundesrätliche China-Politik mit Argwohn, oder besser: Verschiedene Parteien fordern, dass er überhaupt eine solche entwickelt. Die SP hat im März ein Positionspapier mit 36 Forderungen verabschiedet. Und sie hat eine Motion eingereicht, die vom Nationalrat ohne Widerstand überwiesen wurde. Darin fordert SP-Aussenpolitiker Fabian Molina, dass der Bundesrat eine «kohärente aussenpolitische Strategie für China» entwickle. «Heute pflegen sieben Bundesdepartemente und verschiedene Kantone Beziehungen nach China, aber ein strategisches Dach fehlt», sagt Molina.
Dem Zürcher schwebt «eine Politik aus einem Guss» vor. «Ich bin nicht gegen wirtschaftliche Kooperation, aber die Schweiz muss Menschenrechte und Völkerrechte stärker gewichten», sagt Molina. Auch Elisabeth Schneider-Schneiter, der Präsidentin der aussenpolitischen Kommission, fehlt eine «gesamtheitliche China-Strategie» der Regierung. Sie argumentiert vor allem wirtschaftspolitisch – und pocht auf «gleich lange Spiesse», etwa, wenn es um Investitionen geht. «Die Schweiz muss die gleichen Rechte einfordern», sagt die CVP-Nationalrätin. Daneben schwebt ihr ein Ausbau der China-Kompetenz in der Bundesverwaltung vor. Und sie verlangt wie SP-Politiker Molina, dass die Schweiz sich beim Umgang mit China stärker an der EU orientiert. Die EU-Kommission hatte im März einen 10-Punkte-Plan zum künftigen Umgang mit dem Land präsentiert – und das in einem Ton, wie er vom Bundesrat nicht zu hören ist: So war etwa vom «Systemrivalen» China die Rede.