Sechs neue, auf Schweizer Wünsche angepasste Drohnen sollen bald abheben. Gekostet haben sie 250 Millionen Franken. Kolumbien bekam acht zum Teil vergleichbare Flugobjekte für 50 Millionen Dollar.
«Übernehmen Sie Verantwortung für das neuste Militärflugzeug der Schweiz!» Mit diesem Appell sucht das neu geschaffene Kommando Operationen der Armee derzeit einen ganz besonderen Piloten oder eine Pilotin. Denn der oder die Betreffende soll nicht in die Lüfte steigen, sondern vom Boden aus Aufklärungsdrohnen lenken: «Als Pilot/in in der unbemannten Fliegerei bewegen Sie sich in der Moderne der dritten Dimension», heisst es in dem Stelleninserat.
Der Ausdruck «Moderne» trifft ins Schwarze. Denn die neuen Drohnen des Typs Hermes 900 HFE des israelischen Herstellers Elbit gibt es so eigentlich gar nicht. Sie wurden eigens für die Schweiz umkonstruiert – und zwar erst nach der Evaluation durch die Schweizer Rüstungsbeschaffer, was ihnen, ähnlich wie dem vom Volk abgelehnten Kampfjet Gripen, die Bezeichnung «Papierflieger» einbrachte. Anstelle eines Flugbenzinmotors erhielten sie einen Dieselmotor, der leistungsfähiger ist und auch mit Kerosin betankt werden kann, aber fast doppelt so viel wiegt wie der herkömmliche Benziner. Als Folge davon mussten die Tragflächen vergrössert und anderswo am Drohnenrumpf angebracht werden.
Das hat seinen Preis. Die Anpassungsarbeiten hätten zu Mehrkosten geführt, bemängeln Kritiker. Die Drohne sei nicht explizit für die Schweiz entwickelt worden, hält die bundeseigene Rüstungsbeschafferin Armasuisse entgegen. «Sie ist die nächste Generation der Elbit Hermes-900-Produktepalette», sagt Kommunikationschef Kaj-Gunnar Sievert. Ein Insider, der nicht namentlich genannt werden will, widerspricht: «Die Israeli haben sich die Weiterentwicklung ihrer Drohne durch die Schweiz zahlen lassen.» Von der «helvetisierten Drohne», wie sie luftwaffenintern genannt wird, hat die Schweiz mit dem Rüstungsprogramm 2015 sechs Stück bestellt – für insgesamt 250 Millionen Franken. Seltsam, wenn man es mit einer Beschaffung Kolumbiens vergleicht: Gemäss dem Fachorgan www.airforcesmonthly.com hat das südamerikanische Land für sechs Hermes 450 und zwei Hermes 900 insgesamt 50 Millionen Dollar bezahlt. Das ist eine stolze Preisdifferenz, selbst wenn man bedenkt, dass die Hermes 450 kleiner und weniger leistungsfähig sind.
Ein Vergleich sei nicht möglich, «weil der Lieferumfang sehr verschieden sein kann», sagt dazu Armasuisse-Sprecher Sievert. Die 250 Millionen beinhalteten auch Bodenkomponenten, Simulator, Logistik und Ausbildung. Details über Beschaffungen würden nicht bekanntgegeben, weder von der Schweiz noch vom israelischen Lieferanten. Alle Kunden hätten ähnliche Nebenkosten, kontert ein Insider. Unterschiede in dem Ausmass seien nicht erklärbar.
Nicht in Abrede stellt Armasuisse die Probleme mit dem geplanten Sense-and-Avoid-System (S&A), das andere Luftfahrzeuge automatisch erkennen und ihnen ausweichen soll. «Entwicklung, Integration und Zertifizierung von Sense and Avoid könnten aufwendiger werden als geplant», heisst es dazu im Projektbericht des Verteidigungsdepartements (VBS) vom Frühjahr. Das Ziel ist gemäss Sievert weiterhin, S&A bis 2021 einzuführen. Kritiker bezweifeln indes, dass das gelingt – zumal es bisher weltweit noch kein einziges Land geschafft hat. Unter anderem ist Deutschland daran gescheitert. Solange S&A aber nicht funktioniert, brauchen die unbemannten Drohnen wie bis anhin bemannte Begleitflugzeuge, um Sportfliegern, Hängegleitern und Ähnlichem ausweichen zu können.
Sicherheitspolitiker betrachten die Entwicklung skeptisch, zumal die Informationen aus dem VBS zum Drohnenprogramm spärlich fliessen und ihnen gar nicht bewusst war, dass die Schweiz einmal mehr kein Projekt ab Stange kauft. Der St. Galler FDP-Nationalrat Walter Müller zeigt sich überrascht von der Helvetisierung und gibt zu bedenken: «Wenn es tatsächlich zutrifft, dann ist das nicht sehr kostenbewusst.» Grundsätzlich kritisch äussert sich der Berner SVP-Nationalrat Adrian Amstutz, der ebenfalls keine Kenntnis vom aktuellen Stand dieses Rüstungsgeschäfts hat: «Ich bin klar der Auffassung, man soll auf im Einsatz bewährte Lösungen zurückgreifen, nicht auf Papierlösungen», sagt er.
«Ich frage mich einfach, warum wir immer die Luxusvariante bestellen müssen», erklärt die Luzerner CVP-Nationalrätin Ida Glanzmann und kündigt an, diese Frage dem Verteidigungsminister an der nächsten Sitzung der Sicherheitspolitischen Kommission ihres Rats vom übernächsten Montag zu stellen.