Testoffensive
Jetzt also doch: Der Bundesrat will Gratistests für alle – es gibt allerdings noch einen Haken

Der Bundesrat will, dass sich alle kostenlos testen lassen können. Jeder und jede soll pro Monat fünf Selbsttests in Apotheken holen können. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur neuen Testoffensive.

Maja Briner und Lucien Fluri
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Im Kanton Zug wird an den Schulen bereits regelmässig getestet – so wie hier an der Kantonsschule Menzingen. Der Bundesrat will das Testen nun massiv ausweiten.

Im Kanton Zug wird an den Schulen bereits regelmässig getestet – so wie hier an der Kantonsschule Menzingen. Der Bundesrat will das Testen nun massiv ausweiten.

Alexandra Wey / KEYSTONE

1. Was ändert sich?

Der Bund soll die Kosten für alle Corona-Tests übernehmen. Jeder und jede soll in Apotheken und Testzentren gratis einen Schnelltest machen können. Heute werden diese Kosten nur übernommen, wenn jemand Symptome hat. Firmen und Schulen sollen Mitarbeitende und Schüler zudem regelmässig testen. Um dies zu fördern, will der Bund in diesem Bereich Spucktests bezahlen, die im Labor ausgewertet werden. Zudem soll – sobald dies möglich ist – jede Person pro Monat fünf Selbsttests gratis erhalten. Bundesrat Alain Berset sagte am Freitag, die Testoffensive sei «ein sehr wichtiger Schritt, der uns helfen wird, bei der Rückkehr zur Normalität».

2. Ab wann kann ich mich kostenlos testen lassen?

Der Bundesrat will das kostenlose Testen ab 15. März einführen. Allerdings ist der Entscheid noch nicht definitiv: Der Bundesrat hört zuerst die Kantone an, bevor er kommenden Freitag endgültig entscheidet. Es wäre aber eine grosse Überraschung, wenn er wieder zurückkrebsen würde.

3. Wie funktioniert das mit den fünf Selbsttests pro Monat?

Jede Person soll monatlich fünf Selbsttests in Apotheken gratis beziehen können. Holt sich jemand mehr als fünf Tests, so werden ihm die Kosten via Krankenkasse verrechnet. Die Selbsttests kann jeder zuhause durchführen, eine Analyse im Labor ist nicht nötig. Fällt ein Test positiv aus, muss die betroffene Person in Isolation und zur Sicherheit einen PCR-Test machen, da dieser zuverlässiger ist.

4. Was ist der Haken dabei?

Derzeit sind in der Schweiz noch gar keine Selbsttests zugelassen. Bundesrat Berset sagte, diese kämen hoffentlich in einigen Wochen. Ausschlaggebend sei die Zuverlässigkeit der Tests. Laut Bundesamt für Gesundheit liegen noch nicht genügend Informationen vor. In anderen Ländern sind Selbsttests indes bereits zugelassen.

Bundesrat Alain Berset nach der Medienkonferenz zur Testoffensive.

Bundesrat Alain Berset nach der Medienkonferenz zur Testoffensive.

Anthony Anex / KEYSTONE

5. Weshalb ist es eine Kehrtwende?

Die Losung «Testen, testen, testen» ist seit Monaten in aller Munde. Der Bundesrat beharrte aber lange darauf, dass der Bund nur Tests bei Personen mit Symptomen zahlt. Gegenüber Massentests äusserte er sich lange skeptisch. Ende Januar folgte ein erster Strategiewechsel: Der Bund übernahm neu die Kosten für gewisse Massentests, etwa in Altersheimen. Nun folgen die Gratistests für alle. Laut Berset ist es indes keine Kehrtwende, sondern eine Weiterentwicklung der Strategie. Inzwischen seien genügend Tests und Laborkapazitäten vorhanden, um das Testen massiv auszuweiten.

6. Hat das Bundesamt für Gesundheit nicht eben noch gebremst?

Direktorin Anne Lévy zeigte sich diese Woche skeptisch – nicht nur wegen der Zuverlässigkeit der Selbsttests. Sie befürchtete, der Bund könnte den Überblick über die Pandemie verlieren, weil die Resultate der Selbsttests den Behörden nicht gemeldet werden. Droht also ein Blindflug? Berset widersprach: «Je mehr getestet wird, desto besser wissen wir, wo wir stehen.» Zudem soll jede Person, deren Selbsttest positiv war, noch einen PCR-Test machen. Dieses Resultat würde gemeldet.

Ein Labormitarbeiter bringt im Zürcher Triemli-Spital Coronaproben zur Zwischenlagerung in den Kühlschrank.

Ein Labormitarbeiter bringt im Zürcher Triemli-Spital Coronaproben zur Zwischenlagerung in den Kühlschrank.

Gaetan Bally / KEYSTONE

7. Was ist das Ziel der Offensive?

Mit den Gratistests sollen infizierte Personen ausfindig gemacht werden, die keine Symptome haben. Dadurch sollen Ausbrüche früher erkannt und verhindert werden. Ziel ist laut Berset, dass sich rund 40 Prozent der mobilen Bevölkerung regelmässig testen lässt.

8. Wie hoch sind die Kosten?

Der Bund rechnet mit ungefähr einer Milliarde Franken für das laufende Jahr – zusätzlich zur Milliarde, die er bereits Ende Januar fürs Testen vorgesehen hatte. «Es ist extrem teuer», sagte Berset. Im Vergleich zu den Kosten, welche die Schliessungen verursachten, sei es aber eine kleine Summe.

9. Sind dank der Testoffensive mehr Lockerungen möglich?

Der Bundesrat will am 19. März über weitere Öffnungsschritte entscheiden. Hoffnungen, dass wegen der Testoffensive viel mehr gelockert wird, dämpfte Berset jedoch. «Ein Element allein ist kein Gamechanger», sagte er. Die Schweiz sei nach wie vor in einer sehr instabilen Situation. Die Testoffensive sei «kein Freipass für Leichtsinn».

10. Welche Vorteile haben jene, die sich testen lassen?

In Firmen, die jede Woche 80 Prozent ihrer Belegschaft testen, können die Kantone die Quarantänepflicht aufheben. Das heisst: Die positiv getestete Person muss in Isolation, nicht aber die Arbeitskollegen, die mit ihr Kontakt hatten. Die Schutzkonzepte müssen hingegen nach wie vor befolgt werden. Auch Privatpersonen müssen weiterhin Maske tragen und Abstand halten, auch wenn sie ein negatives Testresultat haben. Es handle sich dabei nur um eine Momentaufnahme, warnt der Bund. Noch offen ist, ob Personen mit negativem Testresultat gewisse Privilegien geniessen können – ob also zum Beispiel ein Konzertveranstalter von den Besuchern verlangen darf, dass sie ein negatives Testresultat vorweisen.

11. Wie fallen die Reaktionen auf den Vorschlag aus?

Bis Selbsttests für zuhause vorliegen, sind vor allem die Wirtschaft und Schulen von den regelmässigen Tests betroffen. Der zusätzliche Aufwand ist für den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse kein Problem, im Gegenteil. Massentests seien die bessere Lösung als «teure Schliessungen und Verbote auf Wochen hinaus», hält der Verband fest. Er fordert die Kantone auf, nun rasch und umfassend die Massentests einzuführen. Es dürfe zu keinen logistischen Problemen kommen.

Dagmar Rösler, Präsidentin des Lehrerverbands.

Dagmar Rösler, Präsidentin des Lehrerverbands.

Gaetan Bally / KEYSTONE

Auch für Dagmar Rösler können regelmässige Tests als Begleitung von geplanten Lockerungsschritten für eine beschränkte Zeit Sinn machen. «Es ist zwar ein grosser Aufwand für die Schulen», sagt die höchste Lehrerin der Schweiz. «Die Tests haben aber eine klärende Wirkung: Sie können Daten liefern, wie sich das Virus in den Schulen verhält.» Wichtig ist für die Präsidentin des Lehrerinnen- und Lehrerverbandes nicht nur eine gute und frühzeitige Information. Zwei Bedingungen sind unverhandelbar: Es müssen, wie vom Bund angekündigt, Spucktests sein – und keine Stäbchen, die in die Nase geführt werden müssen. Zudem sollten die Tests auch in Schulen auf freiwilliger Basis durchgeführt werden.

12. Was sagen die Parteien?

So zerstritten Parteien und Bundesrat in den letzten Wochen waren, jetzt sind sie sich einig: Die Tests sind eine gute Sache. Sowohl bei der Mitte als auch bei der FDP verweist man darauf, dass man schon lange eine Ausweitung der Tests gefordert habe. «Seit langem ist klar: es braucht viel mehr Tests», hält auch Grünen-Präsident Balthasar Glättli fest. Und SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi gratuliert dem Bundesrat nicht nur zum Strategiewechsel. Er blickt auch in die Zukunft: «So steht einer baldigen Öffnung nichts mehr im Weg.» Bei der Frage, wie rasch die Öffnungen kommen sollen, dürfte es mit der politischen Einigkeit schnell wieder vorbei sein.

Die Parlamentarier - im Bild Nationalrat Balthasar Glättli - können sich während der Session testen lassen.

Die Parlamentarier - im Bild Nationalrat Balthasar Glättli - können sich während der Session testen lassen.

Alessandro Della Valle / KEYSTONE