Bundeshaus
SVP-Vogt verlässt unter Tränen Kommissionssitzung – auch wegen Parteikollegen

Die Sitzung der nationalrätlichen Rechtskommission endete letzte Woche mit Tränen. SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt verliess die Sitzung, weil ihm SP- und SVP-Politiker die Rolle als Kommissionssprecher bei der Aktienrechtsrevision nicht zutrauten.

Doris Kleck
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SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt geriet bei der Aktienrechtsrevision zwischen die Fronten.

SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt geriet bei der Aktienrechtsrevision zwischen die Fronten.

Keystone

Wie lautete der Neujahrsvorsatz von Hans-Ueli Vogt für 2018? «Mich bei der Aktienrechtsrevision dafür einsetzen, dass es gut herauskommt.» So liess sich der SVP-Nationalrat zu Jahresbeginn im «Blick» zitieren. Aktienrecht, das klingt reichlich unspektakulär. Und Vogt ist wohl der einzige Parlamentarier, der seine Vorfreude auf die Beratung dieses Geschäfts mehrfach öffentlich kundgetan hat.

Dazu muss man wissen: Vogt ist Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich. Und das Aktienrecht sein Forschungsschwerpunkt.

In der Junisession wird der Nationalrat die Monstervorlage (mit 15-jähriger Vorgeschichte notabene) behandeln. Fast ein Jahr lang befasste sich die vorberatende Rechtskommission mit dem Geschäft und behandelte rund 200 Anträge. Der Hauptakteur war Vogt – in der Parlamentsdebatte wird ihm aber keine tragende Rolle zukommen. Denn an der Kommissionssitzung von letzter Woche kam es zum Eklat, wie der «Blick» publik gemacht hat. Vogt verliess die Sitzung den Tränen nahe.

Er war zwar knapp zum Kommissionssprecher gewählt worden. Doch als er nach den Gründen für den Widerstand fragte, setzte es heftige Angriffe von SP-Politikern, aber auch aus der eigenen Partei ab. Mehrere Parlamentarier bestätigen die Darstellung des «Blicks». Die Kritiker störten sich daran, dass Vogt die Vorlage unterstützt, seine Partei das Geschäft aber ablehnt. Als Kommissionssprecher wäre er nicht glaubwürdig, monierten SPler. Und für die SVP war es zu viel, dass der eigene Aktienrechtsspezialist die Haltung der Partei nicht mitträgt.

Für Vogt, der oft als «Antipolitiker» beschrieben wird, war das offensichtlich zu viel. Er mochte sich gestern ebenso wenig zum Eklat äussern wie andere Beteiligte.

Woran sich die SVP stört

Die SVP stört sich an zwei Punkten der Revision. Einerseits an den sehr weichen Zielvorgaben für die Frauenvertretung in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen von Unternehmen. Andererseits am indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative. Die Kommission hat diesen in die Aktienrechtsrevision gepackt. Demnach können hiesige Konzerne für im Ausland begangene Verstösse gegen Leib, Leben und Eigentum verklagt werden. Die Haftung gilt nicht für Lieferanten. Zudem entfällt das Recht auf Klage, wenn die Unternehmen belegen, dass sie ihre Sorgfaltspflicht erfüllt haben.

Der Gegenvorschlag trägt die Handschrift von CSP-Nationalrat Karl Vogler und von Hans-Ueli Vogt. Dessen Parteikollege, SVP-Nationalrat Claudio Zanetti, sagt, er habe nie verstanden, weshalb sich Vogt für einen Gegenvorschlag eingesetzt hat: «Er wusste, dass die Partei eine andere Meinung hat. Damit muss er nun umgehen können.»

Der brillante Jurist

Vogt trat 2014 erstmals ins nationale Scheinwerferlicht. An der Seite von Christoph Blocher präsentierte er die Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter». Die Medien spekulierten, ob Vogt der neue Christoph Mörgeli würde. Das neue intellektuelle Gesicht der SVP. Tatsächlich schaffte der 49-Jährige 2015 den Sprung in den Nationalrat problemlos. Schnell wurde jedoch klar, Vogt ist ein Anti-Mörgeli und auch ein Anti-Köppel. Er ist zum Inbegriff geworden für einen «untypischen SVPler». Leise in der Tonart, unabhängig in der Haltung. So überraschte er etwa im Abstimmungskampf zur Durchsetzungsinitiative, als er sich für die Secondos einsetzte. In der Schweiz geborene Ausländer gehörten zur Schweizer Rechts- und Sozialgemeinschaft. Aus deren Mitte solle man keine Menschen abschieben, sagte Vogt damals.

«Vogt ist kein typischer Politiker, er ist juristischer Handwerker, er orientiert sich am Recht», sagt Karl Vogler. Er sei brillant, wenn es darum gehe, klare, stringente und umsetzbare Gesetze zu machen. Auch Zanetti lobt seinen Parteikollegen für seine hervorragende Arbeit gerade beim Aktienrecht. «Er hat sich mit der Verwaltung ein eigentliches Pingpong-Spiel geliefert», sagt der SVPler. Und häufig habe die Verwaltung zugeben müssen, dass der Vogt recht hat.

Die juristische Brillanz lässt sich auch an Vogts Lebenslauf ablesen: 1989 beste Matura an der Kantonsschule Wetzikon, Anwaltstätigkeiten in Zürich und New York, Forschungsaufenthalte in Florenz, London und Peking. Mit 37 Jahren Berufung zum ordentlichen Professor an der Universität Zürich.

Vogt liess gegenüber dem Onlineportal «Watson» kürzlich offen, ob er 2019 nochmals für den Nationalrat kandidiert. Damals sagte er auch, er erkenne viele Vorteile darin, nicht zum engsten SVP-Zirkel zu gehören: «Ich kann mir selbst treu bleiben.» Der Tag werde kommen, an dem er Abschied nehme von der Politik. «Und dann will ich sagen können, dass ich nie für eine Sache gekämpft habe, bei der es mir nicht wohl war.»