Die SVP schafft es mit ihrem Song auf Platz 6 der Schweizer Hitparade, doch SRF 3 spielt ihn am Sonntag nicht, aus Rücksicht auf das Radio- und TV-Gesetz. SVP-Nationalrat Thomas Matter findet das «skandalös».
Beliebter als Justin Bieber: Die SVP überflügelte in der vergangenen Woche mit ihrem Wahlkampfsong «Welcome to SVP» den kanadischen Popstar und platzierte sich in der Schweizer Hitparade direkt vor dessen Lied «What do you mean?» auf Platz 6. Und das, obwohl der Song beispielsweise beim Online-Händler cede.ch gar nicht angeboten wird. Der SVP kam zugute, dass seit Juli 2014 nicht mehr wie früher bloss die Anzahl verkaufter CDs über die Platzierung in der Hitparade entscheidet, sondern nun auch erhoben wird, wie oft der Song bei den wichtigsten Streaming-Anbietern wie beispielsweise Spotify abgespielt wird. 114 Streamings werden dabei so stark gewichtet wie ein CD-Kauf.
Der Überraschungscoup der Partei brachte das Schweizer Radio und Fernsehen SRF in die Bredouille: Denn das geltende Radio- und TV-Gesetz verbietet Werbung für politische Parteien und Personen, die politische Ämter innehaben oder dafür kandidieren. Die Diskussion, ob der SVP-Song trotzdem über den Äther laufen dürfe, habe am Leutschenbach längere Abklärungen ausgelöst, die bis hinauf in die Chefredaktion gingen, berichtete die «NZZ am Sonntag» gestern.
Gespannt lauschte man daher am Nachmittag vor dem Radiogerät. Und siehe da: Erstmals in der Geschichte der seit 32 Jahren jeden Sonntag auf Radio SRF 3 (respektive dessen Vorgänger DRS 3) präsentierten Hitparade wurde ein Lied übersprungen. Nur ganz kurz wurde «Welcome to SVP» angespielt, dann sagte Moderatorin Tina Nägeli: «Wir spielen den Wahlsong der SVP nicht in voller Länge, weil für die SRG ein generelles Verbot für politische Werbung gilt und wir so kurz vor den Wahlen zu besonderer Sorgfalt verpflichtet sind.»
Der Zürcher SVP-Nationalrat Thomas Matter, der den Song unter seinem Künstlernamen DJ Tommy produzierte, ereifert sich über den Entscheid der Radio-Verantwortlichen: «Dass SRF unseren Song im Unterschied zu allen anderen Liedern der Hitparade nicht vollständig abspielt, ist skandalös. Erst recht, weil er noch nicht mal ein Werbespot für die SVP ist, sondern inhaltlich neutral und harmlos.» Es werde nicht mit gleichen Ellen gemessen, kritisiert Matter. Als die drei Mundartrapper Stress, Greis und Bligg vor zehn Jahren den Song «Fuck Blocher» veröffentlichten, habe sich SRF noch keinen Deut um politische Korrektheit geschert.
Ein Vorwurf, der am Leutschenbach zurückgewiesen wird. «Wir haben ‹Fuck Blocher› weder im regulären Programm in Rotation noch in der Hitparade gespielt», sagt Michael Schuler, Leiter der Fachredaktion Musik. Weil es der Song damals nicht in die Top 75 der Single-Hitparade schaffte, kam SRF um die heikle Entscheidung zwischen Akzeptanz künstlerischer Freiheit und Wahrung politischen Anstands herum. Die Musikredaktion entscheide jeweils nach journalistischen Grundsätzen, ob ein Lied gespielt werde oder nicht, sagt Schuler.
Bleibt die Frage, weshalb dem künstlerisch wenig ambitionierten «Welcome to SVP» überhaupt der Sprung in die Top 10 der Hitparade gelungen ist. Zu erklären ist dies wohl weniger mit der von DJ Antoine abgekupferten Melodie oder den holprigen Rap-Passagen, sondern mit dem hochprofessionell produzierten Videoclip zum Song. Dieser nämlich kommt erstaunlich selbstironisch daher und zeigt unter anderem Milliardär Christoph Blocher beim Bad im eigenen Swimmingpool hoch über dem Zürichsee und «Weltwoche»-Verleger und Nationalratskandidat Roger Köppel bei der Toilettenlektüre der linken «WOZ».