Beschäftigung
SVP-Nationalrat fordert neue Arbeitslosen-Statistik – inklusive den Ausgesteuerten

SVP-Nationalrat Franz Grüter will, dass Arbeitslosenzahlen anders erfasst werden. Unterstützung erhält er von links.

Maja Briner
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Nur wer beim RAV registriert ist, gilt offiziell als arbeitslos.

Nur wer beim RAV registriert ist, gilt offiziell als arbeitslos.

KEYSTONE

Es ist schon fast ein Ritual: Jeden Monat gibt das Staatssekretariat für Wirtschaft bekannt, wie sich die Arbeitslosenquote in der Schweiz verändert hat. SVP-Nationalrat Franz Grüter ärgert sich darüber: «Die Statistik ist irreführend», sagt er. «Sie gibt ein beschönigendes Bild der Realität ab.» Die Zahl der Arbeitslosen sei höher, als die Statistik vermuten lasse. Probleme auf dem Arbeitsmarkt würden so kleingeredet, kritisiert der Luzerner. Er ist Stiftungsrat bei der Schweizerischen Stiftung für Arbeit und Weiterbildung, die sich unter anderem für ältere Arbeitnehmende einsetzt.

Mit einem Vorstoss, den Grüter diese Woche eingereicht hat, will er die Arbeitslosenstatistik umkrempeln. Heute werden alle Personen erfasst, die bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) gemeldet sind. Diese Methode gerät immer wieder in die Kritik: Denn Arbeitslose, die nicht beim RAV registriert sind, tauchen darin nicht auf. Das betrifft vor allem auch Personen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr haben. «Die Ausgesteuerten verschwinden einfach aus der Statistik, wenn sie nicht beim RAV angemeldet sind», sagt Grüter. Er verlangt deshalb, dass diese künftig in der Statistik berücksichtigt werden.

Aktuell werden pro Monat schweizweit über 3000 Personen ausgesteuert. Sie können zwar weiterhin beim RAV registriert bleiben, tun das aber häufig nicht. «Wer vergeblich 200 oder 300 Bewerbungen verschickt hat, mag oft nicht mehr beim RAV bleiben», sagt Grüter. Gemäss früheren Angaben des Bundes haben zwei Monate nach der Aussteuerung 15 bis 20 Prozent der Betroffenen wieder eine Stelle gefunden, etwa 25 Prozent sind noch in den amtlichen Arbeitslosenzahlen erfasst. Das heisst auch: Über die Hälfte der Betroffenen fällt aus der Statistik.

Grüters Forderung kommt ausgerechnet beim politischen Gegner gut an. «Die Änderung der Statistik wäre ein richtiger Schritt», sagt Corrado Pardini, SP-Nationalrat und Gewerkschafter. «Das fordern wir schon lange.» Im Nationalrat könnten SP und SVP den Vorstoss durchbringen, im Ständerat wären sie auf weitere Partner angewiesen.

Erwerbslos oder arbeitslos?

Allerdings gibt es bereits heute Zahlen dazu, wie viele Menschen in der Schweiz gerne arbeiten würden, aber keinen Job haben. In der Erwerbslosenstatistik werden alle Arbeitslosen erfasst, die aktiv eine Stelle suchen. Die Angaben sind nicht exakt, da sie mittels Stichprobe erhoben werden – 30 000 Personen werden jeweils telefonisch befragt. Daraus rechnet das Bundesamt für Statistik die Erwerbslosenquote hoch. Im vierten Quartal letzten Jahres lag diese bei 4,5 Prozent. Zum Vergleich: Die Arbeitslosenquote betrug Ende Jahr 3,3 Prozent. In absoluten Zahlen bedeutet dies: 222 000 Personen galten als erwerbslos, knapp 147 000 Personen als arbeitslos.

Grüter nimmt mit seinem Vorstoss bereits den zweiten Anlauf. Eine gleichlautende Motion hatte er Ende 2015 eingereicht, diese wurde im Parlament jedoch nie behandelt. Der Bundesrat lehnte die Forderung damals ab: Mit den bestehenden Statistiken seien genügend Informationen vorhanden, argumentierte er. Zudem wäre die Erhebung schwierig, gab er zu bedenken: Damit alle Ausgesteuerten in der Arbeitslosenstatistik enthalten wären, müssten diese verpflichtet werden, auch nach der Aussteuerung bei einem RAV angemeldet zu bleiben, solange sie keine neue Stelle finden.

Grüter ist von seiner Idee aber nach wie vor überzeugt. Öffentlich werde nur selten über die Erwerbslosenquote gesprochen, sagt er. «Dabei wäre es wichtig, die wahren Arbeitslosen-Zahlen zu kennen – auch, um die Frage der Zuwanderung zu diskutieren.» In einzelnen Branchen wie etwa dem Bau oder dem Gastgewerbe sei die Arbeitslosigkeit hoch, und trotzdem würden weiterhin Arbeitskräfte aus dem Ausland rekrutiert, kritisiert Grüter. Die Bevölkerung müsse das wahre Ausmass der Arbeitslosigkeit kennen.

Bei diesem Argument droht die unheilige Allianz indes zu zerbrechen. SP-Nationalrat Pardini warnt: «Wenn die SVP die Zahlen missbrauchen will, um billige Propaganda gegen die Zuwanderung zu betreiben, erweist sie den Betroffenen einen Bärendienst.»