Zuwanderung
SVP-Initiative will Schweizer bei der Arbeitssuche bevorzugen

Die SVP will mit ihrer Initiative gegen Masseneinwanderung nicht nur die Zuwanderung beschränken. Die Initiative sieht auch einen «Schweizervorrang» statt wie üblich «Inländervorrang» im Arbeitsmarkt vor. Tausende Secondos wären davon betroffen.

Stefan Schmid
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Geht es nach der SVP, werden Schweizer bei der Stellenbesetzung bevorzugt. ANTHONY ANEX/Keystone

Geht es nach der SVP, werden Schweizer bei der Stellenbesetzung bevorzugt. ANTHONY ANEX/Keystone

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Die Masseneinwanderungs-Initiative der SVP verlangt Höchstzahlen für Zuwanderer und beauftragt den Bundesrat, das Abkommen über die Personenfreizügigkeit mit der EU neu zu verhandeln. Dies ist bekannt.

Noch kaum thematisiert wurde aber ein weiterer Aspekt dieser Initiative, der weitreichende und gravierende Konsequenzen hat. In Artikel 121a Absatz 3 verlangen die Initianten, dass künftig die «jährlichen Höchstzahlen für erwerbstätige Ausländer auf die gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz unter Berücksichtigung eines Vorranges für Schweizerinnen und Schweizer» auszurichten seien.

Kontingente auch für Ehefrauen und Studenten

Die Masseneinwanderungs-Initiative verlangt Kontingente für «sämtliche Bewilligungen des Ausländerrechts unter Einbezug des Asylwesens». Konkret bedeutet dies, dass im Falle einer Annahme nicht nur die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte kontingentiert werden müsste. Betroffen von den Höchstzahlen sind auch alle anderen Kategorien des Ausländerrechts - etwa Grenzgänger, Kurzaufenthalter oder Asylbewerber. So müsste etwa die Anzahl Bewilligungen für ausländische Ehepartner von Schweizer Staatsangehörigen kontingentiert werden, die in die Schweiz ziehen wollen. Mittels Kontingenten zu begrenzen wäre weiter die Anzahl Studierender, Doktorierender oder auch Sprachschüler, welche aktuell einen Anteil von über zehn Prozent der Zuwanderung in die Schweiz ausmachen. Eine Kontingentierung hätte laut Alberto Achermann von der Uni Bern möglicherweise gravierende Folgen für den bedeutenden Wirtschaftszweig der privaten Internats- und Sprachschulen, namentlich in der Westschweiz. Dasselbe gilt im Übrigen für Aufenthalte für medizinische Behandlungen und für Kuraufenthalte von über drei Monaten, die gemäss Ausländergesetz bewilligungspflichtig sind. Zudem müssten Quoten für ausländische Künstler, Gastforscher und Rentner festgelegt werden. (SSM)

«Entrechtung» aller Secondos

Das ist dicke Post. Bisher galt im schweizerischen Ausländerrecht stets der «Inländervorrang», der auch in der Schweiz bereits ansässige Aufenthalter und Niedergelassene ohne roten Pass geschützt hat. Immerhin ist hierzulande gemäss Bundesamt für Statistik fast jeder vierte Arbeitnehmer ein Ausländer. Sollte das Volk der SVP-Initiative am 9. Februar zustimmen, soll neu der Vorrang bei der Besetzung einer Stelle nur noch für Schweizer Staatsangehörige gelten.

Paul Rechsteiner, SP-Ständerat aus St.Gallen und Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, spricht von einer «kollektiven Entrechtung». «Alle Secondos, Tausende Italiener, Deutsche, Spanier werden diskriminiert.» Etwas Vergleichbares habe es in der Geschichte des Schweizer Ausländerrechts noch nie gegeben. Die SVP-Initiative sei auch deshalb abzulehnen, weil «dieser Angriff auf alle Secondos, die schon jahrzehntelang hier leben und arbeiten, ein Affront ist».

Diese Sichtweise bestätigt Alberto Achermann, Co-Direktor des Zentrums für Migrationsrecht der Universitäten Bern, Neuenburg und Freiburg. «Der Text der Masseneinwanderungs-Initiative benachteiligt ganz klar alle bereits in der Schweiz wohnhaften Ausländerinnen und Ausländer.» Dies widerspreche der Argumentation der Initianten, wonach die neue Verfassungsbestimmung auch die hier lebenden Ausländer vor der ausländischen Konkurrenz schützen soll.

Die Folge einer Annahme wären indessen neue Hürden für ansässige ausländische Staatsangehörige, indem bei Anstellungen zuerst geprüft werden müsste, ob es schweizerische Bewerber hat, und erst danach die ausländische Wohnbevölkerung in der Schweiz und zuletzt ausländische Arbeitskräfte mit Wohnsitz im Ausland zum Zuge kämen. Ein solches Verfahren würde laut Achermann zu Verzögerungen bei der Rekrutierung von Arbeitskräften und zu unnötigen Belastungen für die Wirtschaft führen.

SVP sieht kein Problem

Die SVP will derweil nichts von einer Diskriminierung der bereits ansässigen ausländischen Wohnbevölkerung wissen. «Die Kontingente werden in Bezug auf neue Zuwanderer angewendet», sagt Silvia Bär, stellvertretende Generalsekretärin der Partei. Die Initiative wolle nichts anderes, als dass zuerst auf dem inländischen Arbeitsmarkt gesucht werden müsse, dass man nur weitere Ausländerinnen und Ausländer aus dem Ausland anstellen könne, wenn die Arbeitgeber im inländischen Markt nicht fündig wurden.

Für Alberto Achermann ist diese Interpretation des Initiativtextes falsch. «Man muss die Initianten beim Wort nehmen.» Schliesslich pochten diese nach einem Erfolg ja auf eine korrekte Umsetzung. Achermann glaubt indes nicht, dass allen Sympathisanten der Initiative diese Tragweite bisher bewusst war.