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Schweiz
Toni Brunner poltert wegen der Coronakrise gegen den Bundesrat. Aber auch Leute, die andere bei der Polizei verpfeifen, gehen ihm auf die Nerven. Der ehemalige SVP-Parteipräsident verschärft nach einer Wahlniederlage seiner Partei im Kanton St.Gallen den Ton.
Schon wieder hat die St.Galler SVP eine Majorzwahl verloren. Wo liegt das Problem?
Toni Brunner: Irgendwie ist es verrückt. Wir hatten den Besten von allen drei Kandidaten und wieder hat es nicht geklappt. Da spielen bei den alteingesessenen Parteien wohl noch immer die bekannten Animositäten. Wir hatten in der Vergangenheit zu viel Erfolg. Wenn es hart auf hart geht, spannt die sogenannte Mitte lieber mit den Sozialisten zusammen. So gesehen, hat das bürgerliche St.Gallen versagt.
Das tönt nach Frust
Mag sein. Ist es aber nicht. Es geht hier nicht um die SVP. Es geht um den Kanton St.Gallen. Es ist keine gute Situation, wenn ein Drittel der Bevölkerung nicht angemessen in der Regierung vertreten ist. Dieses Gremium wird im Volk unweigerlich einen schwereren Stand haben und unter besonderer Beobachtung stehen.
Das Volk hat keinen zweiten SVP-Regierungsrat gewollt.
So ist es. Aber das Resultat war knapp, ein Zufallsergebnis. Fakt ist auch: Die SVP-Wähler haben Beat Tinner zur Wahl verholfen. Umgekehrt hat diese Unterstützung natürlich nicht gespielt. Das ist eine grosse Enttäuschung. Die Zusammenarbeit mit dem Freisinn hat leider schon im Kantonsrat, wo SVP/FDP vier Jahre lang eine Mehrheit hatten, nicht funktioniert. Die FDP hat ihren ordnungspolitischen Kompass verloren.
Wichtige FDP-Exponenten wie Nationalrätin Susanne Vincenz haben sich offen für SP-Frau Laura Bucher ausgesprochen.
Bedauerlich. Aber wir kennen es ja. Da tummeln sich im Freisinn Leute mit sozialdemokratischem Anstrich. Es gibt sie in allen Parteien, die Sozialisten und Staatsausbauer.
Sie prügeln jetzt auf Ihre bürgerlichen Partner ein. Wo bleibt die Selbstkritik?
Michael Götte war der beste der drei Kandidaten. Wir konnten nicht mehr Konsens anbieten als mit ihm. Und trotzdem haben CVP und FDP offensichtlich die Linken unterstützt. Wenn es um den Erhalt der eigenen Macht geht, werfen die Mitteparteien bürgerliche Werte über Bord.
Sie hätten mit Esther Friedli antreten können. Wetten, sie wäre gewählt worden?
Das glaube ich nicht. Ihr wäre es wohl genauso ergangen wie Michael Götte. Das bürgerliche Establishment in diesem Kanton versucht, seine Pfründe zu verteidigen. Auf Kosten einer ausgewogenen Kantonsregierung.
Die SVP muss einen härteren Oppositionskurs fahren.
Nochmals: Was hat die SVP falsch gemacht?
Ich sehe keine offensichtlichen Fehler. Der richtige Kandidat mit dem richtigen Profil kam im richtigen Moment. Dazu kam allerdings auch noch Pech. Sicher nicht geholfen hat bei diesem Wahlgang die Corona-Krise.
Wie meinen Sie das?
Es fand kein Wahlkampf statt, keine Auseinandersetzung der Argumente, die Stimmbeteiligung war extrem tief. Die Urnen geschlossen. Das hat gerade auf dem Land eher Leute vom Wählen abgehalten. Michael Götte versuchte, die urbane Wählerschaft anzusprechen. Sein Resultat in der Stadt St.Gallen ist aber pitoyabel. Einmal mehr hat es die Stadt dem Land gezeigt. Sollen sie sich dort freuen. Aber der Kanton St.Gallen besteht nicht nur aus der Stadt. In vielen Landgemeinden hat Götte das beste Resultat gemacht. Dieser Graben ist schlecht für den Kanton. Man wird dieser Regierung auf dem Land mit viel Misstrauen begegnen.
Hassen Sie eigentlich die Stadt St.Gallen und ihre Bewohner?
Ich bin ein Freund der Stadt. Aber die SVP vertritt vorab das Gewerbe, die Landwirtschaft, Arbeitnehmer wie Unternehmer, vielfach halt auch typisch ländliche Anliegen. Menschen, die täglich arbeiten und im Überlebenskampf stehen. Oft zu kleinen Löhnen.
Wie wird sich die SVP in der kommenden Legislatur positionieren?
Die SVP muss einen härteren Oppositionskurs fahren. Dieser Regierung muss man auf die Finger schauen. Und Entscheide wenn nötig mit Referenden bekämpfen. Der Kanton ist schweizweit schlecht positioniert.
Das müssen Sie erklären.
Punkto Steuern und Standortattraktivität hinken wir den umliegenden Kantonen hinterher. Da besteht dringend Handlungsbedarf. Und von der «Hanselmannischen-Gesundheitspolitik» will ich gar nicht sprechen.
Es gab eine FDP-SVP-Mehrheit in den letzten vier Jahren. Sie kritisieren sich also selber.
Diese Mehrheit gab es nur auf dem Papier. Man hat die SVP in der Steuerpolitik alleine gelassen.
SVP-Regierungsrat Stefan Kölliker könnte ja die Verantwortung im Gesundheitsdepartement übernehmen.
Auf keinen Fall. Dieses Schlamassel sollen die Linken selber ausbaden. Wie soll die SVP staatstragend Verantwortung übernehmen, wenn wir dauernd ausgegrenzt werden? Heidi Hanselmann hat uns die Spitalmisere eingebrockt. Ihre Parteikollegin Laura Bucher soll jetzt das Gesundheitsdepartement übernehmen.
Es sind die Bürgerlichen, die Spitäler schliessen wollen. Sie haben in Regierung und Kantonsrat die Mehrheit.
Es ist ein Trauerspiel. Da muss ich jetzt als Toggenburger etwas sagen: Entlang der A1 hat es alle 5 Minuten ein Spital. Winterthur, Frauenfeld, Wil, Flawil, Herisau, St.Gallen, Rorschach. Und dann kommt man auf die Idee, ausgerechnet im peripheren Toggenburg das Spital zu schliessen und das Tal damit abserbeln zu lassen. Nachdem man fast 50 Millionen investiert hat und neue Operationssäle nie in Betrieb genommen hat. So geht das nicht.
Ich hätte nie gedacht, dass wir in unserem Betrieb jemals Kurzarbeit beantragen müssen.
Sie sind gegen Spitalschliessungen?
Nein, nicht im Grundsatz. Aber so, wie man das jetzt aufgegleist hat, macht es keinen Sinn. Im Gegenzug will man nun in Wil 150 Millionen investieren. Das ist Hüst- und Hott-Politik. Ganz schlimm.
Sie sind Mitglied der nationalen Findungskommission, die einen neuen SVP-Präsidenten suchen muss. Wie kommen Sie voran?
Wir mussten die Arbeiten wegen Corona sistieren. Sobald man wieder Versammlungen machen kann, werden wir der Partei einen Vorschlag präsentieren.
Wird es in irgendeiner Form zu einem politischen Comeback von Toni Brunner kommen?
Ich trage fast schon eine Hipster-Frisur. Damit kann ich nur noch hier oben im Toggenburg unter die Leute (lacht). Im Ernst: Nein. Mir gefällt mein Leben ohne Politik ausgezeichnet. Dieses Kapitel ist abgeschlossen.
Apropos Corona: Ihre Beiz, das «Haus der Freiheit», ist wegen Corona geschlossen. Wie gehen Sie damit um?
Die Situation ist schwierig. Ich hätte nie gedacht, dass wir in unserem Betrieb jemals Kurzarbeit beantragen müssen. Wir haben das im Restaurant gemacht, damit wir das Personal behalten können. Seit Wochen scheint die Sonne vom blauen Himmel und wir können die Gäste auf der Terrasse wegen dem staatlichen Verbot nicht bedienen. Bitter.
Sind Sie existenziell bedroht?
Ich mache mir weniger Sorgen um unseren Toggenburger Landgasthof. Bei uns lief das Lokal bis zur bundesrätlichen Schliessung sehr gut. Wir haben etwas Reserven. Aber viele andere Gastrobetriebe kämpfen ums nackte Überleben. Wenn die Beizen noch bis im Juni zu sind, wird ein Drittel gar nicht mehr aufmachen. Der Bundesrat muss der Branche dringend eine zeitliche Perspektive geben. Und ihnen für die nächsten Monate die Mehrwertsteuer erlassen.
Könnten Sie im «Haus der Freiheit» denn die Abstandsregeln einhalten?
Auf jeden Fall. Man muss den Gastgebern vertrauen. Jeder weiss, was zu tun ist. Wir könnten die Tische so gruppieren, dass bis zu fünf Personen an einem Tisch sitzen. Weniger eng stuhlen. Eigenverantwortung statt Obrigkeitsstaat.
Geht dem Wirt des «Haus der Freiheit» das Notstandsregime des Bundesrats zu weit?
Ja. Und bei Geschäften, Gewerblern und Restaurants ist der Bundesrat zur Zeit überhaupt nicht flexibel. Die Situation ist, zumindest in der Deutschschweiz, überschaubar. Man muss das Regime des Bundes dringend lockern. Was mich aber wirklich nervt, ist etwas anderes.
Nämlich?
Das verbreitete Denunziantentum. Ich hätte nicht geglaubt, dass es in der Schweiz Leute gibt, die andere bei der Polizei verpfeifen, weil sie sich nicht an Abstandsregeln halten. Dieser Glaube an die Allmacht des Staates ist erschreckend. Manche Bundesräte führen sich wie Feldherren auf. Es ist Zeit, dieses Regime zu beenden. Mehr Freiheit, weniger Staat.