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Schweiz
Mehrere Branchen machen Druck für eine Pauschallösung – und hoffen auf den Nationalrat. Die Immobilienbranche will das verhindern. Eine für sie vorteilhaftere Motion hat der Ständerat am Montagabend angenommen.
Es ist eines der gewichtigsten Geschäfte der ausserordentlichen Session: Was tun mit den Mieten jener Restaurants und Geschäfte, die der Bundesrat Mitte März zwangsgeschlossen hat? Der Bundesrat sah keinen Handlungsbedarf. Er appellierte lediglich an Mieter und Vermieter, sich im Dialog auf «konstruktive Lösungen» zu einigen. In der Praxis klappt das bisher wenig zufriedenstellend. Eine Mehrheit in den Wirtschaftskommissionen (WAK) von National- und Ständerat sieht Handlungsbedarf.
Doch über das richtige Rezept wird heftig gestritten. Eine breite Allianz der betroffenen Betriebe – Gastronomie, Detailhandel, Fitnesscenter, Coiffeursalons, Fachgeschäfte – weibelt für die Lösung der Nationalratskommission.
Es brauche «Rechts- und Kalkulationssicherheit, um lange andauernde gerichtliche Streitigkeiten sowie massenhafte Konkurse» zu vermeiden, hiess in einem Brief an die Parlamentarier. Die nationalrätliche WAK spricht sich in einer Kommissionsmotion für einen pauschalen Mieterlass von 70 Prozent für die betroffenen Betriebe während der Zwangsschliessung aus. Dieser ginge zu Lasten der Vermieter.
Die Immobilienbranche hingegen bevorzugt die Lösung der ständerätlichen Kommission. Am Montagabend kurz nach 22 Uhr nahm der Ständerat mit 24 Ja- zu 19 Nein-Stimmen eine entsprechende Kommissionsmotion an. Diese will für zwangsgeschlossene Betriebe mit Monatsmieten von maximal 5000 Franken einen vollständigen Mieterlass während maximal zwei Monaten.
Die Nebenkosten müssen bezahlt werden. Für zwangsgeschlossene Betriebe mit Mieten über 5000 Franken soll ein «Anreizsystem die Verständigung zwischen Vermieter und Mieter fördern». Wird die geschuldete Miete auf einen Drittel reduziert, würde der Bund einen Drittel der Miete übernehmen – bis zu einem Maximalbeitrag von 3000 Franken.
Für diesen Bundesbeitrag kommen aber nur Betriebe in Frage, die keine andere Art von Hilfeleistungen beziehen. Konkret heisst das: Wer einen Coronakredit zur Wahrung der Liquidität in Anspruch genommen hat, dem hilft die ständerätliche Lösung nicht.
Diese KMU sind systemrelevant für unsere Wirtschaft, und ein Mieterlass für sie ist zentral.
«Die Lösung des Ständerats ist nur für Kleinstfirmen», kritisiert FDP-Nationalrat Marcel Dobler, Besitzer des Spielwarenhändlers Franz Carl Weber. «Alle grösseren Betriebe fallen aus dem Raster.» Die ständerätliche Lösung sei eine Alibiübung, die den KMU mit vielen Arbeitsplätzen nicht helfe.
Dabei brauche es jetzt von der Politik schnell eine Lösung: «Die Situation ist für viele Firmen existenzbedrohend.» Mit der Zwangsschliessung seien sie quasi enteignet worden, mussten Verluste von 40 Milliarden Franken schlucken. «Diese KMU sind systemrelevant für unsere Wirtschaft, und ein Mieterlass ist für sie zentral.»
Davon will CVP-Ständerat Daniel Fässler (AI), Präsident des Verbands Immobilien Schweiz, nichts wissen: «Die staatliche Anordnung eines pauschalen Mieterlasses ist falsch.» Es sei heikel, wenn der Staat in privatrechtliche Mietverträge eingreife, zumal er die Zwangsschliessungen beschlossen habe.
Es brauche deshalb eine Opfersymmetrie, «aber vor allem individuelle Lösungen». Die ständerätliche Lösung berücksichtige, dass bei kleineren Mieten ein «weitgehender Mieterlass ökonomisch vertretbar» sei. «Bei grösseren Mietsummen bietet sie den Anreiz für einvernehmliche Lösungen».
Im Nationalrat ist durch den Druck der betroffenen Betriebe die Zustimmung für einen pauschalen Mieterlass gestiegen. Allerdings wird die grosse Kammer am Dienstag auch über die ständerätliche Lösung abstimmen. Möglicherweise stimmen einzelne bürgerliche Nationalräte, die zwar grundsätzlich gegen einen Eingriff der Politik in die Mietverhältnisse sind, für die Lösung aus dem Ständerat.
Damit könnten sie die weitergehende Pauschallösung der Nationalratskommission zu verhindern versuchen. Entscheidend dürfte das Verhalten der CVP werden. Im Gegensatz zu Immobilienbranchenvertreter Fässler wirbt etwa der designierte Präsident des Gewerbeverbands, Nationalrat Fabio Regazzi (CVP/TI), für einen pauschalen Mieterlass.
Stimmt die grosse Kammer am Dienstag dafür, wird sich der Ständerat am Mittwoch damit befassen. In der Frage der Geschäftsmieten bleibt es spannend.