Schweizer Post
Stadt und Land wehren sich vereint gegen die Abbau-Pläne des gelben Riesen

Poststellen, die weder Stimmcouverts noch Sperrgut-Pakate versenden können und auch keine Geld-Transaktionen möglich sind – solche und andere haarsträubende Beispiele führen zu einem regelrechten Aufstand gegen die Schweizerische Post.

Niklaus Vontobel und Stefan Ehrbar
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Die Briefmenge nimmt ab, die Post dünnt das Filialnetz aus. Manchenorts ist nicht einmal mehr die Verteilung von Stimmcouverts möglich.Martin Rütschi/Keystone

Die Briefmenge nimmt ab, die Post dünnt das Filialnetz aus. Manchenorts ist nicht einmal mehr die Verteilung von Stimmcouverts möglich.Martin Rütschi/Keystone

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Die Post verkündete diese Woche: Ab September können in Gemeinden ohne Postfiliale auch Bareinzahlungen beim Pöstler gemacht werden; «Partnerfilialen» genannte Agenturen akzeptieren ab dann Massen-Sendungen. Recherchen zeigen: Die Vorschläge der Post sind ein Rettungsversuch. Es hat sich ein geballter Widerstand formiert gegen ihren Plan zur Streichung von Filialen.

Politiker von links und rechts, Stadt und Land sind unzufrieden. «Wir haben alle unsere Erfahrungen am eigenen Wohnort gemacht», sagt der SP-Nationalrat Thomas Hardegger. Zudem habe der Gemeindeverband in Bundesbern anschaulich beschrieben, welche grundlegenden Services in ländlichen Regionen bereits heute fehlten.

«Es gibt nun quasi eine Allianz von Stadt und Land gegen den geplanten Abbau», sagt Kurt Fluri, FDP-Nationalrat und Präsident des Städteverbandes. «Man ist sich einig: So geht es nicht, es braucht einen Marschhalt.» Dieser politische Konsens schlug sich Mitte Februar in drei Motionen der einflussreichen Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen nieder.

Aus ländlichen Gemeinden hörte die Kommission haarsträubende Beispiele. Reihum wurden diese als «sehr ärgerlich» bezeichnet, so könne man das nicht akzeptieren. In einem Dorf konnte die Gemeindeverwaltung auf der örtlichen Agentur nicht die Stimmcouverts verschicken. Sie musste ins Nachbardorf, wie ein Kommissionsmitglied berichtet.

Massen-Sendungen gingen in vielen Dörfern nicht mehr, Sperrgutpakete wurden abgelehnt. Einwohner konnten nicht mehr Geld bar einzahlen oder abheben. «Das sind grundlegende Services, ohne die es ein Dorf schwer hat, wenn es Einwohner oder Betriebe anlocken will», sagt Hardegger. FDP-Politiker Fluri sagt: «Wir hatten Berichte aus ländlichen Gemeinden, wonach die Post nicht auf die Bedürfnisse ländlicher Regionen eingehe.» Es mangle an Transparenz, die Kriterien für eine Schliessung seien unklar. «Die Gemeinden würden vor Fait accompli gestellt.»

CVP-Nationalrat Martin Candinas wertet die Annahme der Motionen als Beleg für den weitverbreiteten Unmut über die Strategie der Post. «Die Agenturen bieten nur einen eingeschränkten Service public. Die Offensive der Post von dieser Woche zeigt, dass die Argumentation der Kommission nicht an den Haaren herbeigezogen ist.»

Auf Widerstand stösst auch das Vorgehen der Post in Städten und Agglomerationen. Offenbar sei, so Kurt Fluri, auch dort geplant, das klassische Poststellennetz drastisch zu reduzieren. Agenturen oder Paketabholstellen sollen es ersetzen. «Von solchen Schritten war nie die Rede – es ging nur um den Abbau des Serviceangebotes in ländlichen Gegenden mit schwach besuchten Filialen.»

Gibt die Post nur Zückerchen?

Die Kommission will der Post ihre Pflichten präziser vorschreiben. So soll sie die Erreichbarkeit ihrer Filialen nicht länger nach nationalem Durchschnitt berechnen, das sei «untauglich». Sie solle auf einzelne Regionen schauen und ihre Messkriterien für die Erreichbarkeit so festlegen. «Städtische Post-Filialen, die 20 000 Menschen bedienen, würden dann eher beibehalten», sagt Hardegger.

Für das Einzahlen und Abheben von Bargeld will die Kommission die Kriterien verschärfen. Regional sollen Einwohner jeweils Zugang zu diesem Service innert durchschnittlich 20 Minuten haben, zu Fuss oder mit dem öffentlichen Verkehr. Davor waren es 30 Minuten. So würden wieder mehr Dörfer diesen Service vor Ort haben, so die Idee.

Wie die Post dieses Ziel erreicht, bliebe ihr überlassen: mit dem Aufrüsten von Agenturen, oder dem Wiederaufbau von Filialen. Die Vorschläge der Post von dieser Woche wird die Kommission kritisch prüfen. Kurt Fluri wertet sie erst einmal als Beitrag an die Diskussion. «Wir werden uns anschauen, ob die Post damit ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen kann.» Hardegger will die Vorschläge ebenfalls prüfen.

CVP-Nationalrat Candinas begrüsst die neuen Services. Aber er ist misstrauisch. «Wir müssen kritisch auf die Umsetzung schauen.» Wieso wolle die Post nicht, dass diese Services in der Verordnung festgeschrieben werden, fragt sich Candinas. «Es darf nicht sein, dass die Post nun ein ‹Zückerchen› gibt und die Leistungen später wieder streicht.»

Dass Agenturen die verschärften Vorgaben im Zahlungsverkehr erfüllen können – die Gewerkschaften zweifeln daran. Syndicom-Branchensekretär David Roth sagt etwa: «Ich wüsste nicht, wie gewöhnliche Agenturen die Vorgaben erfüllen sollen.» Roth erwartet daher einen Wiederaufbau von Filialen, sollte die Motion in den Auftrag zur Grundversorgung aufgenommen werden.

Die Motionen sind erst der Anfang eines Kuhhandels. Die Kommission hat ihre Wünsche mitgeteilt. Im Gegenzug sagt die Post, was diese Wünsche kosten. Daraufhin wiederum schaut die Politik: Wie kann die Post das finanzieren? «Man könnte der Postfinance mehr Freiheiten geben, etwa um Hypotheken zu vergeben», sagt Hardegger.

Das Tauziehen um die Postfinance finge von vorne an. Die Post hingegen winkt ab. Eine gesetzliche Anpassung der Erreichbarkeitskriterien erachte man als nicht zielführend, sagt Sprecherin Léa Wertheimer. Vielmehr sollten regionale Bedürfnisse «subsidiär» Eingang in die Netzplanung finden. «Die Konzernleitung hat die Einführung der Dienstleistungen unabhängig von der Gesetzesgrundlage beschlossen», sagt sie. Entscheidend sei das Kundenbedürfnis.