SRF-Arena
Karin Keller-Sutter gerät in der Anti-Terror-«Arena» ins Kreuzfeuer – und bleibt eine Antwort schuldig

Die Schweizer Justizministerin verteidigt in der jüngsten «Arena» das Anti-Terror-Gesetz. Doch in einer entscheidenden Frage bleibt man im Ungewissen.

Julian Wermuth, watson.ch
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Bundesrätin Karin Keller-Sutter.

Bundesrätin Karin Keller-Sutter.

SRF

Braucht die Schweiz ein neues Anti-Terror-Gesetz? Gut drei Wochen vor den nationalen Abstimmungen lud «Arena»-Moderator Sandro Brotz zur Anti-Terror-«Arena».

Die Unterstützer haben schweres Geschütz aufgefahren: Justiziministerin Karin Keller-Sutter soll die Vorlage verteidigen – das neue Gesetz fällt in ihr Departement. Unterstützung erhält sie dabei von Mitte-Nationalrätin Ida Glanzmann-Hunkeler und SVP-Nationalrat Mauro Tuena. Schützenhilfe leistet der Kommandant der Kantonspolizei Bern, Stefan Blättler.

Auf der Contra-Seite traten SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf und JGLP-Co-Präsident Tobias Vögeli von der Politiker-Gilde auf. Unterstützt werden sie von Michael Bubendorf von den «Freunden der Verfassung» und UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer.

Die Einigkeit währt nicht lange

Bundesrätin Keller-Sutter macht den Anfang und stellt sich dem Kreuzverhör von Moderator Brotz. Souverän kontert sie Brotzs kritische Fragen zur Notwendigkeit des Gesetzes. Man merkt ihr die vielen Interviews und Auftritte an.

Zunächst ist man sich einig: Alle sind gegen Terrorismus. Damit hat es sich aber mit den Gemeinsamkeiten. Denn schon bei der Terrorismus-Definition scheiden sich die Geister. Dabei bleibt's aber nicht. Melzer sorgt für den ersten Frontalangriff der Runde und fasst seine Kritikpunkte zusammen:

«Wenn wir dieses Gesetz anschauen, dann versagt dies einfach. Es ist unprofessionell, es ist untauglich und es ist gefährlich.»
Nils Melzer.

Nils Melzer.

Keystone

Keller-Sutter lässt die Kritik aber nicht auf sich sitzen. Lange habe man sich damit befasst. Das Gesetz sei Teil der Strategie zur Terrorbekämpfung. Der Austausch mit den Polizeien habe klar gezeigt, dass diese mehr Kompetenzen bräuchten. Wohlgemerkt, mit den Praktikern habe man dies angeschaut. Keller-Sutter: «Man kann schon eine akademische Diskussion führen, aber die Kantone haben eine Verantwortung für die Sicherheit der Bevölkerung.»

Helfen Fussfesseln gegen Terror?

Dem unausgesprochenen Vorwurf, die Gegner würden sich zu sehr auf die Theorie stützen, entgegnet Melzer: «Ich bin kein Akademiker im Antiterror-Bereich, ich war in diesen Gefängnissen, habe diesen Menschen in die Augen geschaut. Die lassen sich von einem Rayonverbot nicht davon abhalten, sich in einem Shoppingzentrum in die Luft zu sprengen.»

Polizeikommandant Blättler sieht das hingegen anders und liefert ein Beispiel. Eine Person wurde für terroristische Aktivitäten verurteilt und hat das Strafmass abgesessen, das Gedankengut bleibe aber. Wenn diese Person nun eine ausländische Herkunft hat und nicht ausgeschafft werden kann, was macht man dann mit dieser Person? Das Gesetz würde hier greifen, man könnte die Person im Auge behalten.

Hier schaltet sich Jungpolitiker Vögeli ein. Denn seiner Meinung nach genügt die heutige Gesetzeslage für diese Fälle. Er zitiert eine Lausanner Studie, laut der das PMT keinen der Anschläge der letzten Jahre verhindert hätte. Er bilanziert:

«Eine Fussfessel wird niemanden daran hindern, das Haus zu verlassen und terroristische Aktivitäten auszuüben.»
Tobias Vögeli.

Tobias Vögeli.

Keystone

Die Probleme der Terrorismusbekämpfung sieht Vögeli viel eher an anderer Stelle: «Es ist ein Ressourcenproblem vorhanden. Bei den kantonalen Polizeien aber auch beim NDB. Man müsste Ressourcen aufstocken, man müsste mehr Geld sprechen.» Aber nicht nur bei der Polizei, sondern auch bei der Prävention.

Er bläst damit ins selbe Horn wie Priska Seiler Graf. Sie fordert nämlich, dass man viel früher ansetzen sollte. Und zwar schon bei Kindern und Jugendlichen. Nicht etwa mit polizeilichen Massnahmen, sondern mit erzieherischen und therapeutischen Mitteln. Aber das koste halt eben viel Geld.

Welche Frage die Bundesrätin nicht beantworten kann

Priska Seiler Graf.

Priska Seiler Graf.

Keystone

Insgesamt wird in der Anti-Terror-«Arena» sehr gesittet diskutiert. Die eben erwähnte Seiler Graf sorgt dann aber doch noch für Action. In Richtung Glanzmann-Hunkeler giftelt sie: Die CVP sei in der Sicherheitspolitischen Kommission noch für Präventionshaft gewesen. Bissig meint Seiler Graf: «Ich weiss jetzt, wieso ihr das C nicht mehr habt.»

Auffallend ist, dass praktisch alle Diskussionsteilnehmer Terrorismus mit radikalem Islamismus in Verbindung bringen. Dass die Terrorismus-Definition aber auch Personen mit anderen Hintergründen einschliesst, zeigt Polit-Aussenseiter Michael Bubendorf mit einem persönlichen Beispiel. Gemäss Definition könnte auch er wegen seinem politischen Aktivismus gegen das Corona-Regime mit Massnahmen belegt werden. Keller-Sutter wiegelt ab:

«Sie kritisieren den Bundesrat, sie kritisieren die Corona-Massnahmen, das ist völlig legitim. Sie sind ja kein Terrorist, Herr Bubendorf. Sie schauen ja keine IS-Propaganda.»

Was denn jetzt genau ein Terrorist ist, diese Frage konnte Keller-Sutter nicht beantworten. Zu schwammig scheint die Definition, wenn man sich von Melzer und Vögeli überzeugen lässt.

«Was unterscheidet uns nach diesem PMT von einem Polizeistaat? Das Vertrauen in die Polizei. Das Vertrauen in die Politiker und die Politikerinnen, dass sie das dann schon nicht missbrauchen. Das Vertrauen, dass sie dann schon integer handeln. Und das in alle Ewigkeit.», sinniert Vögeli dazu.