Bei den internationalen Atomverhandlungen mit US-Aussenminister John Kerry in Genf gab es einen grossangelegten Hackerangriff: Unbekannte drangen in die Überwachungskameras der Hotels ein. Der Bundesrat wurde über die Cyberattacke informiert.
Als US-Justizministerin Loretta Lynch vergangenen Montag die Staatsanwältekonferenz in Zürich besuchte, war das Sicherheitsaufgebot immens. Doch die eigentliche Gefahr lauerte nicht im Kreis 5, sondern im Netz. Und dagegen hat sich die Schweiz lange weit weniger gewappnet, wie der «Tages-Anzeiger» am Dienstag berichtet.
Zwar konnten die schweizerischen Sicherheitsbehörden im Frühjahr einen Cyber-Grossangriff auf die internationalen Atomverhandlungen in der Westschweiz abwehren, an denen Lynchs Regierungskollege, Aussenminister John Kerry, teilnahm. Doch nun zeigen Recherchen des «Tages-Anzeigers», dass die Attacken in der Schweiz intensiver ausfielen, als damals berichtet wurde.
Die Cyberangreifer waren in Computer von Hotels eingedrungen, die alle bei den hochgeheimen 5+1-Gesprächen eine Rolle spielten. In München, Wien und am Genfersee hatte der Iran mit den fünf UNO-Vetomächten sowie Deutschland über sein Atomprogramm verhandelt.
Spezialisten des Nachrichtendienstes begannen, den Angriff zu untersuchen, bis irgendwann genug belastendes Material beisammen war, um bei der Bundesanwaltschaft Anzeige zu erstatten. Ausnahmsweise erteilte der Bund (der in solchen Fällen oft zögert, weil er ausländische Regierungen nicht vor den Kopf stossen will) der Bundesanwaltschaft die Erlaubnis, zu ermitteln. Anfang Mai kam es zu einer Polizeiaktion, in die über zwei Dutzend Informatikspezialisten der Bundeskriminalpolizei und der Genfer Kantonspolizei involviert waren, schreibt der «Tages-Anzeiger» weiter.
Die Bundesanwaltschaft führte eine Hausdurchsuchung im Luxushotel Président Wilson durch.
Beschlagnahmtes Material zeigt, dass das Hotelsystem vom Trojaner Duqu 2.0 infiziert worden ist. Damit bemächtigen sich Cyberangreifer aus der Ferne unter anderem der Überwachungskameras und -mikrofone. Gemäss Informationen des «Tages-Anzeigers» geschah dies im Président Wilson, aber auch im Beau-Rivage Palace in Lausanne, das im Sommer ebenfalls Schauplatz der Atomgespräche war. Ausgespäht wurde auch ein Hotel in Wien, während München, ein weiterer Verhandlungsort, verschont blieb.
Betroffen könnten aber auch Hotels in Montreux sein, wo US-Aussenminister John Kerry und sein iranischer Amtskollege Mohammed Jawad Sarif ebenfalls konferierten. Für die Bundesanwaltschaft dürfte es trotzdem nicht einfach sein, die Täter hinter der Cyberattacke zu finden. Vor allem, weil es nur elektronische Spuren gibt, die wenig zielführend sind. Als wichtiger erachten schweizerische Experten die abschreckende Wirkung, heisst es im «Tages-Anzeiger».