Fortpflanzungsmedizin
Sollen Embryonen-Tests erlaubt sein? – Fast alle Parteien sind gespalten

CVP, FDP, BDP und die Grünen sagen Ja zur Verfassungsänderung zur Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID). Die SP beschloss dagegen die Stimmfreigabe. Eine Delegierte erklärte, sie vermisse eine «gewisse Demut» in der Diskussion.

Anna Wanner
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Selten sind die Parteien intern so gespalten wie bei der Vorlage über Fortpflanzungsmedizin: Dürfen Embryonen künftig untersucht werden oder nicht? Das Spektrum der Gegner reicht von der am linken Rand angesiedelten SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer (BL) bis zu SVP-Nationalrat Pirmin Schwander (SZ), der gegen rechts wenig Luft übrig lässt.

Gemeinsam mit Vertretern der EVP, CVP, der Grünen und der BDP werben sie für ein Nein. Denn sie fürchten sich vor Missbrauch, vor Designerbabys – wobei kein Parlamentarier eine solche Öffnung befürwortet und also kaum je zulassen wird.

Eine Mehrheit der Parlamentarier unterstreicht den Vorteil, der zu erwarten ist, wenn das Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) aufgehoben wird: Paare, die mit schweren Erbkrankheiten vorbelastet sind, könnten sich endlich unbelastet ihren Kinderwunsch erfüllen. Und bei unfruchtbaren Paaren könnte die Chance auf eine Schwangerschaft gesteigert werden.

CVP überrascht mit Parole

Wer sich zur Meinungsfindung an die Parteien hält, sei allerdings gewarnt: Das funktioniert bei dieser Vorlage nur bedingt. Eine einheitliche Meinung vertritt als einzige Partei die FDP, welche die Tests befürwortet. Wie knapp die Parolen gefasst wurden, illustrieren die Entscheide der drei anderen Grossparteien SP, SVP und CVP.

Die Mehrheit der Christdemokraten stimmte im Nationalrat vor vier Monaten noch gegen eine Verfassungsänderung. Die Delegierten liessen sich nicht beeindrucken und kehrten am Samstag den Entscheid. 120 sagten Ja, 83 sagten Nein. Die Thurgauer Ständerätin Brigitte Häberli-Koller sagt, sie hätte sich zwar einen anderen Ausgang gewünscht.

Sie akzeptiere aber die Meinung ihrer Parteikollegen, denn das sei der Ursprung der Uneinigkeit: «Bei der Vorlage geht es um eine persönliche Haltung.» Freilich sieht die Befürworterin Ruth Humbel dies etwas anders. Das Thema könne leicht ins Emotionale abrutschen, sagt die Aargauer Nationalrätin. «Dabei geht es im Kern um den privaten Entscheid eines Paares.»

SVP umging die Delegierten

Mit umgekehrten Vorzeichen startete die SVP in den Abstimmungskampf: Nachdem Wortführer Christoph Mörgeli (ZH) im Nationalrat überzeugend vorgetragen hatte, wieso die Tests erlaubt werden sollen, scharte er eine Mehrheit von 43 von 57 Fraktionskollegen hinter sich. Auch die SVP-Ständeräte zeigten sich offen gegenüber der Fortpflanzungsmedizin.

Gegner Peter Föhn (SZ) konnte keinen einzigen Kollegen von seiner Haltung überzeugen. Nichtsdestotrotz kippte der SVP-Zentralvorstand die Mehrheiten im Parlament und beschloss nach kontroverser Debatte, auf die Meinung der Delegierten zu verzichten und die Nein-Parole herauszugeben.

Eine gegen alle

Und schliesslich die SP, die sich am Samstag weder für ein Ja noch für ein Nein durchringen konnte, sondern sich für Stimmfreigabe entschied. Dies, obwohl mit einer einzigen Ausnahme die ganze Bundeshausfraktion der Verfassungsänderung zustimmte. Die Delegierten folgten schliesslich mit
89:86 Stimmen der Stimmfreigabe, weil es sich im Grunde um eine ethische Frage und deshalb auch um eine sehr persönliche Haltung handle.