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Gratisferien und Anspruchshaltung gegenüber dem Staat, mit solchen Vorurteilen müssen sich Männer rumschlagen, die für einen Vaterschaftsurlaub sind und die für ihre Familie in dieser ganz besonderen Zeit da sein wollen. Wir haben mit zwei von ihnen gesprochen.
«Das war die anstrengendste Zeit in meinem Leben», sagt Oguzhan Sekban über die zwei Wochen, die er nach der Geburt seines kleinen Sohnes Atlas zuhause geblieben ist. Das Wort Gratisferien macht den Wettinger wütend. «Mit Ferien hatte das, was ich da gemacht habe, wenig zu tun. Alles in dieser Zeit, gerade beim ersten Kind, ist eine Herausforderung. Wie wickle ich, wie bade ich den Kleinen, man schläft nachts nicht, tagsüber geht es aber sofort weiter. Auf dem Sofa liegen konnte ich jedenfalls nicht».
Zwei Wochen war der 32-Jährige zuhause, konnte seiner Frau helfen, sie unterstützen. Dass so viel Aufhebens um den Vaterschaftsurlaub gemacht wird, kann er nicht verstehen. «Wieviele Kinder kriegt man? Eins, zwei vielleicht drei? Das ist so wenig Zeit im Vergleich zu all den Jahren, die man arbeitet». Und eine ganz besondere Zeit obendrein, die Oguzhan Sekban niemals missen möchte. Er sagt:
Ich hätte es wirklich bereut, wenn ich nicht zuhause geblieben wäre. All diese kleinen Momente, wenn der Kleine seine Augen nach dem Schlafen aufgeschlagen hat, wenn er aufgehört hat zu weinen, weil ich ihn auf den Arm genommen habe, das war so unfassbar schön.
«Diese Bindung» meint auch Stefan Berchtold, der im März kurz vor dem Lockdown zum 2. mal Vater geworden ist, «die kann man nicht mal einfach so schnell am Wochenende herstellen, da muss man da sein für sein Kind, wirklich Zeit mit ihm verbringen». Bei seiner Frau war die erste Geburt sehr schwierig. Sie hätte ohne ihn gar nichts machen können, weil sie weder heben, noch Treppensteigen durfte. Wie soll man in so einem Zustand einkaufen gehen? Auch das Erlebte, all die Eindrücke, die so eine Geburt mit sich bringt, gemeinsam zu verarbeiten, findet Stefan Berchtold wichtig. «Sonst kann es schnell passieren, dass so eine Familie in eine Abwärtsspirale gerät». Dass andere da einspringen können, ist heute nicht mehr selbstverständlich, oft wohnt die Familie weit weg, kann also nicht helfen.
Nur einen freien Tag für den Vater, wie es bisher in der Schweiz gesetzlich vorgesehen ist, geht deshalb gar nicht, meint Stefan Berchtold, «manchmal dauert ja sogar die Geburt schon länger, wie also soll man das machen»? Das Argument, dass man ja seinen Urlaub dafür verwenden könnte, lässt er nicht gelten. Er sagt:
Das erste Jahr mit Kind ist so eine grosse Herausforderung, da braucht man viel Kraft für alles. Die ganze Familie ist da gefordert. Wenn man da dann kaum noch Urlaub hat, wird es schwer.
«Ich war immer etwas am machen», meint auch Oguzhan Sekban über die erste Zeit mit seinem Baby: Windeln wechseln, füttern, baden, einkaufen, kochen. All das muss ja erledigt werden. «Der Vater wird heutzutage nun mal mehr einbezogen in all diese Aufgaben, das ist auch gut so», meint Stefan Berchtold. «Gerade beim zweiten Kind war es absolut wichtig, dass da vier Hände waren und nicht nur zwei, denn die Ältere hat ja auch noch Bedürfnisse».
Auch wenn man beim zweiten Kind mehr Erfahrung hat, bleibt die Herausforderung. Der Familie und den Kindern mit dem Vaterschaftsurlaub einen guten Start zu ermöglichen, findet Stefan Berchtold wichtig. Dass dies der Schweizer Wirtschaft schadet, glaubt er nicht. Im Gegenteil: «Menschen, die einen guten Start ins Leben haben, sind später auch gute Mitarbeiter und Väter, die Ruhe und Zeit für ihre Familie haben, auch». Und wenn die Schweiz schon beim Frauenwahlrecht keine gute Figur gemacht hat, wäre es doch schön, wenn sie sich beim Vaterschaftsurlaub fortschrittlich zeigt, so Berchtold.
Oguzhan Sekban ist überzeugt, dass die Schweizer deshalb an der Urne mit Ja stimmen werden, alles andere ist für ihn gar nicht vorstellbar. Jeder, der diese Erfahrung mit seinem Baby gemacht hat, meint er, muss einfach dafür sein. Denn hier entsteht eine lebenslange Verbindung zu einem Menschen, den man mehr liebt als alles andere.
«Dieses Band, das ich durch diese intensive Zeit zu meinen Kindern aufgebaut habe, das ist so wertvoll», sagt auch Stefan Berchtold. Inzwischen arbeitet er sogar nur noch 80 Prozent und macht einen «Papitag». «Das ist mit Abstand das Grösste, es ist einfach unbeschreiblich, diese Zeit mit den Kindern», meint er, «diesen einen Tag wirklich voll und ganz Papi zu sein». So wie in den ersten Wochen auch, wo er für seine Frau und die Familie da war.