Die acht wichtigsten Fragen und Antworten zur Volksinitiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung», über die am 5.Juni abgestimmt wird.
Nur gut drei Monate nach der Gotthard-Abstimmung kann sich die Schweizer Bevölkerung schon wieder zu einer verkehrs- und finanzpolitischen Vorlage äussern: Die Initiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung», besser bekannt als «Milchkuh-Initiative», kommt am 5. Juni an die Urne.
Auf Treibstoffen – also in erster LinieBenzin und Diesel – wird seit je eine Steuer erhoben: die Mineralölsteuer. Die Hälfte davon, rund 1,5 Milliarden Franken pro Jahr, verwendet der Bund für Projekte im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr. Die andere Hälfte fliesst in die allgemeine Bundeskasse. Die Initiative verlangt, dass künftig der gesamte Ertrag der Mineralölsteuer, also auch derjenige Teil, welcher der Bildung, dem öffentlichen Verkehr, der Landwirtschaft oder der Armee zugutekommt, für die Strasse verwendet wird.
Die Vereinigung der Automobil-Importeure (Auto-Schweiz) hat die Initiative lanciert, die SVP unterstützt sie als einzige grosse Partei. Der Bundesrat, eine Mehrheit des Parlaments sowie sämtliche 26 Kantonsregierungen lehnen die Vorlage ab. Abgesehen von der SVP sind auch alle grossen Parteien dagegen – einzelne Parlamentarier scheren allerdings aus und weibeln für ein Ja. Es sind dies durchaus prominente Vertreter, so etwa Petra Gössi (FDP-Präsidentin) oder Gerhard Pfister (designierter CVP-Präsident).
Ursprünglich hiess die Vorlage nur «Milchkuh-Initiative», weil die Autofahrer in Augen der Urheber die Milchkühe der Nation sind. In der Diskussion bleibt dieser Namen weiterhin geläufig. Weil die Bundeskanzlei gemäss SRF den Titel wegen «Irreführung» hätte ändern können, taufte das Initiativkomitee die Vorlage kurzerhand in «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» um.
Die Mineralölsteuer ist nicht die einzige Abgabe, die Strassenbenützer entrichten. Hinzu kommen die Automobilsteuer, der Mineralölsteuerzuschlag, die Autobahn-Vignette und für Lastwagen die LSVA. Umstritten ist jedoch, wie
viel Geld der Bund damit einnimmt. Die Initianten sprechen von jährlich 9 Milliarden und rechnen auch die Mehrwertsteuer ein. Die Gegner kommunizieren die Zahl von 7,2 Milliarden pro Jahr.
Das kommt auf die Sichtweise an. Für die Initianten herrscht eine «krasse Ungleichbehandlung» der Strasse gegenüber der Schiene, da mit den Abgaben der Strassenbenützer auch öV-Projekte finanziert werden. Sie verweisen auf das Verursacherprinzip als verfassungsrechtliche Grundregel. Das Nein-Komitee entgegnet, dass seit der Konzipierung der Mineralölsteuer nie eine 100-prozentige Zweckbindung vorgesehen war und die heutige Regelung im internationalen Vergleich schon grosszügig sei. Zudem habe die reale Belastung durch die Mineralölsteuer seit den 1970er-Jahren dank sparsameren Autos und der Teuerung um die Hälfte abgenommen.
Der Slogan der Befürworter heisst «Schluss mit Stau»: Die Anzahl Staustunden habe sich seit 2008 verdoppelt und koste die Volkswirtschaft 2 Milliarden Franken pro Jahr. Um diesen Betrag zu reduzieren, wollen die Initianten in Städten, Agglomerationen und Dörfern Strassen bauen oder erwei-tern – schliesslich sei weiterhin mit einer Verkehrszunahme zu rechnen.
Die 1,5 Milliarden Franken, die der Bundeskasse künftig fehlen würden, müssten irgendwie kompensiert werden – entweder über höhere Steuern oder drastische Sparrunden. Gemäss Bundesrat müsste insbesondere bei Bildung und Forschung (415 Millionen), Landwirtschaft (198 Millionen), Armee (301 Millionen), Beziehungen zum Ausland (208 Millionen), öV (148 Millionen) und weiteren Aufgaben (329 Millionen) gekürzt werden – und das schon sehr bald. Denn die Initiative muss sofort umgesetzt werden.
Wenn nichts passiert, läuft der Bund bei der Strassenfinanzierung bereits 2018 in einen Engpass hinein, weil die Rückstellungen der «Spezialfinanzierung Strassenverkehr» bis dann aufgebraucht sein werden. Um dem entgegenzutreten, hat der Bundesrat den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) ins Leben gerufen, der sich derzeit in der parlamentarischen Beratung befindet. Dank einer Umlagerung von Geldern und zusätzlichen Einnahmen sollen damit rund 700 Millionen Franken pro Jahr zusätzlich der Strasse zugeführt werden. Ursprünglich wollte die Regierung den Mineralölsteuerzuschlag, der seit 1974 unverändert ist, um 15 Rappen pro Liter erhöhen. Der Ständerat hat den Aufpreis aber mittlerweile auf 4 Rappen gesenkt und gleichzeitig die Zweckbindung der Mineralölsteuer erhöht – nicht zuletzt aus Angst vor der Milchkuh-Initiative.