Nationalratswahlen
Sie ist die oberste Wahlmanagerin der Schweiz – «Wir müssen Tüpflischisser sein»

Es gibt Aufgaben, die werden mit jedem Mal grösser. Barbara Perriard kennt das gut: Die 46-jährige Juristin koordiniert am 18. Oktober zum zweiten Mal die Nationalratswahlen.

Lorenz Honegger
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Eine Daueraufgabe: Kaum waren die Nationalratswahlen 2011 vorbei, begann Barbara Perriard schon mit den Vorbereitungen für die Wahlen 2015.

Eine Daueraufgabe: Kaum waren die Nationalratswahlen 2011 vorbei, begann Barbara Perriard schon mit den Vorbereitungen für die Wahlen 2015.

Keystone

Über 3800 Schweizerinnen und Schweizer buhlen an diesem Tag um einen der 200 Sitze in der grossen Kammer des Parlamentes (siehe Kasten unten). 340 Kandidaten mehr als beim letzten Mal; alleine mit ihnen liessen sich National- und Ständerat vollständig besetzen.

Als oberste Wahl- und Abstimmungsmanagerin muss Perriard, die bei der Bundeskanzlei seit 2010 die Sektion Politische Rechte führt, zusammen mit den Kantonen einen reibungslosen Urnengang garantieren.

Das beginnt bei banalen Dingen wie den Wahlunterlagen: Wenn in den kommenden Wochen mehr als fünf Millionen Bürgerinnen und Bürger ihre Couverts erhalten, müssen Kandidatennamen, Geburtsdaten, aber auch die Schreibweisen von Gemeinden bis ins letzte Detail stimmen.

«Es darf keine Fehler geben. Wir müssen Tüpflischisser sein», sagt Perriard. Ganz liessen sich Pannen zwar nicht vermeiden. Aber die Bundeskanzlei müsse garantieren, «dass wir alles getan haben, um sie zu entdecken».

Viele ungültige Stimmen

Wer Barbara Perriard zuhört, merkt: Die Organisation der Nationalratswahlen ist eine Daueraufgabe. Nur wenige Wochen nachdem sich die neu- und wiedergewählten Parlamentarier am 4. Dezember 2011 zum ersten Mal im Bundeshaus einfanden, traf sie sich zu einem «Debriefing» mit den Kantonen und dem Bundesamt für Statistik. Dabei ging es darum, was man beim nächsten Urnengang 2015 besser machen könnte.

Ein ständiges Problem sind die ungültigen Stimmen: Am 23. Oktober 2011 mussten die Kantone 1,3 Prozent der Wahlzettel für ungültig erklären, weil sie falsch ausgefüllt worden waren. Das sind Zehntausende Menschen, die sich an den Wahlen beteiligen wollten, aber aus formellen Gründen nicht konnten. Ein unschöner Makel in der Vorzeigedemokratie Schweiz.

Ist das Ausfüllen des Wahlzettels zu kompliziert? Perriard: «In Sachen Komplexität bewegen wir uns international im Durchschnitt.» Eine Hotline, eine Internetseite und eine Wahlanleitung sollen beim fehlerfreien Wählen helfen. Man dürfe aber nicht vergessen, dass Wählen etwas Anspruchsvolles sei. «Da steht man auch als Bürgerin und Bürger in der Verantwortung, sich zu informieren.»

Schwierig werde es dann, wenn Wählerinnen und Wähler in einen anderen Kanton ziehen, wo die formellen Anforderungen unterschiedlich seien. So könne es ein, dass in einem Kanton die Stimme ungültig sei, wenn man den Wahlzettel nicht in ein zweites Couvert stecke oder den Stimmrechtsausweis nicht unterschreibe – in einem anderen wiederum nicht. Von einer landesweiten Harmonisierung der Spielregeln hält sie dennoch wenig. «Ich bin eine überzeugte Föderalistin.» Das Bundesgesetz lege die Mindeststandards fest. «Daneben hat es Platz für kantonale Besonderheiten.»

Harziges E-Voting

Den Wahlsonntag will Perriard in einem der Kantone verbringen, wo die Bevölkerung elektronisch abstimmen kann. Das innovative Projekt kommt indes nur schleppend voran: Während sich heutzutage das halbe Leben über das Smartphone organisieren lässt, ist die Abstimmungsweltmeisterin Schweiz beim Wählen übers Internet 2015 nicht viel weiter als 2011.

Im Inland können nicht einmal 100 000 Personen übers Internet wählen, im Ausland sind es 34 000 – bei über 750 000 Auslandschweizern. Perriard erklärt, elektronisches Wählen lasse sich nicht mit E-Banking oder Online-Shopping vergleichen. «Die Qualitätsanforderungen sind höher.»

Erst diesen Sommer erhielten die Bemühungen von Bund und Kantonen um eine Ausweitung des E-Voting einen herben Rückschlag. Der Bundesrat verweigerte neun Kantonen aus Sicherheitsgründen die Bewilligung. Eine Prognose, wann die Mehrheit der Bevölkerung online wählen und abstimmen kann, will Perriard nicht wagen. «Sie müssen bedenken: Bis sich die briefliche Stimmabgabe auf eidgenössischer Ebene durchsetzte, dauerte es mehr als 20 Jahre.»

Grosser Ansturm aufs Bundeshaus

Für die nationalen Wahlen vom Oktober kandidieren derzeit 3802 Frauen und Männer auf 422 Listen. Damit werden sowohl bei der Anzahl Kandidierender als auch bei der Anzahl Listen einmal mehr Rekorde gebrochen. Das Bundesamt für Statistik (BFS) veröffentlichte am Mittwoch Zahlen zu den Nationalratswahlen vom 18. Oktober. In den 20 Kantonen, in welchen nach Proporz gewählt wird, kandidieren insgesamt 3788 Politikerinnen und Politiker. Gemäss Berechnungen der Nachrichtenagentur SDA kandidieren in den sechs Majorz-Kantonen, den beiden Appenzell, Ob- und Nidwalden, Glarus und Uri, wo nur je ein Sitz im Nationalrat zu vergeben ist, weitere 14 Politikerinnen und Politiker. Dies ergibt ein vorläufiges Total von 3802 Kandidatinnen und Kandidaten. Da die beiden Appenzell, Glarus und Uri keinen Listenschluss terminiert haben, können in diesen vier Kantonen noch weitere Kandidaten hinzukommen. Gemäss Berechnungen der SDA kandidieren insgesamt 1310 Frauen, was einem Frauenanteil von knapp 34,5 Prozent entspricht. Bei den letzten Wahlen im Jahr 2011 lag der Frauenanteil bei 32,7 Prozent, 2007 bei über 35 Prozent. (sda)