Bern
Sicherheitsdirektor: «Die Reitschule ist wohl mit der ganzen Gewalt überfordert»

Der Sicherheitsdirektor von Bern Reto Nause befürchtet, die Reitschule sei mit der Gewaltsituation überfordert.

Othmar von Matt
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Bis auf Weiteres geschlossen: Die Reitschule will nicht mehr. (Archivbild)
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Nach neuerlichen Gewaltakten in der Umgebung des alternativen Berner Kulturzentrums Reitschule lässt die Stadtregierung abklären, ob deren Betreiber den Leistungsvertrag mit der Stadt verletzt haben.(Archivbild)
Bis die Resultate vorliegen, sistiert die Stadt allfällige Zahlungen. (Archivbild)
Der Innenhof des autonomen Kulturzentrums "Reithalle". (Archivbild)
Der Innenhof des autonomen Kulturzentrums "Reithalle". (Archivbild)

Bis auf Weiteres geschlossen: Die Reitschule will nicht mehr. (Archivbild)

KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Die Reitschule ist das Zentrum des Widerstands gegen die Kundgebung, die SVP-nahe Kreise am 18. März auf dem Bundesplatz in Bern planen. Das zeigt sich in mehreren Aufrufen. Auf der Homepage «Rechtehetzestoppen» heisst es zum 18. März: «Schaut am Infopoint (Rössli 8:00-12:00) vorbei.» Mit «Rössli» ist die Bar in der Reitschule gemeint, auf die auch der Aufruf unter dem Titel «Bern brennt!» Bezug nimmt. Er geht deutlich weiter und veröffentlicht gar private Details und Adressen der aktuellen und selbst der ausgestiegenen Organisatoren. Dazu heisst es: «Ausserdem haben wir ein paar Infos zusammengetragen, was ihr damit macht, sei euch selber überlassen.»

Die Reitschule war schon das Zentrum im Zusammenhang mit den Ereignissen um die Hausbesetzung an der Effingerstrasse 29. Dort wurde wohl vieles geplant, wie Recherchen zeigen. Ein Insider sagt, am Wochenende sei die linksradikale Zürcher Aktivistin Andrea Stauffacher zu Vorbesprechungen im gepflegten Esslokal «Sous le Pont» der Reitschule gewesen. Später hätten sich Personen in öffentlich nicht zugänglichen Räumen vermummt und Material in der Reitschule zwischengelagert.

Die bewegte Geschichte der Berner Reitschule
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Das Kulturzentrum ging aus einer Hausbesetzung hervor. Seit dem Jahr 2004 besteht offiziell ein Miet- und Leistungsvertrag mit der Stadt Bern.
In der Reithalle finden Konzerte, Film- und Theatervorführungen, Performances, Ausstellungen und Literaturlesungen statt.
Zwischen 1999 und 2004 renovierte die Stadt Bern die Gebäude für 13 Millionen Franken.
2007 feierte das Kulturzentrum sein 20-Jahr-Jubiläum.
Im Herbst 1987 wurde die Reitschule für eine Kulturnacht besetzt. Viele kulturelle Institutionen verlegten ihr Programm damals für einen Abend und eine Nacht in die Reithalle.
Seit Mitte der 1980er-Jahre fanden in Bern sogenannte "Straf-Bars" statt, so auch in der ehemaligen Reitschule. Damit wollte man auf den Mangel an Kultur- und Veranstaltungsorten in der Stadt aufmerksam machen.
Ein Brand zerstörte in der Nacht auf den 13. Oktober 1990 das Theatergebäude der Reithalle.
Die Berner Stadtpolizei räumte am 31. Mai 1995 die besetzte Berner Reithalle, nachdem die Räumungsfrist am 26. Mai ungenutzt verstrichen ist.
Die Reitschule war immer schon ein Ort des Protests: für mehr Freiräume (Bild 1988), ...
... die Rechte der Frau (Bild 2007), ...
... gegen die herrschende Drogenpolitik (Bild 2007) ...
... oder gegen Rechtsextremismus, Ausgrenzung und Intoleranz (Bild 2006).
Schon fünf Mal wurde über die Zukunft der Reithalle abgestimmt. Das Berner Stimmvolk sprach sich stets gegen eine Aufhebung des Kulturzentrums aus, so auch im September 2000 (Bild).
Jugendliche feierten am 26. September 2010 das jüngste Abstimmungsergebnis mit Freibier. 68.4 Prozent des Stimmvolks lehnten damals die SVP-Initiative ab, die einen Verkauf des Kulturzentrums forderte.

Die bewegte Geschichte der Berner Reitschule

Keystone

Dass sich Stauffacher, Galionsfigur des Revolutionären Aufbau Zürich (RAZ), offenbar persönlich in die Reitschule begab, deutet darauf hin, dass es auch um den 18. März ging, zumal dieser auf der Aufbau-Homepage prominent thematisiert wird. Stauffacher pflegt enge Kontakte zur Reitschule. Das hatte der Bundesrat 2004 im «Extremismusbericht» festgehalten.

Konfrontiert mit den Recherchen, heisst es im Restaurant «Sous le Pont», von Stauffachers Anwesenheit wisse man nichts. Nicht zu Stauffacher äussern will sich die Berner Kantonspolizei. Sprecherin Ramona Mock sagt aber: «Szenekenner haben uns gemeldet, dass Führungsleute aus anderen Kantonen anwesend waren.»

Roland Staub ist einer der Organisatoren, von dem private Informationen veröffentlicht wurden. Im Wohnort des Verantwortlichen des SVP-Kuriers der SVP Luzern patrouilliert die lokale Polizei. Staub sagt, er organisiere die Kundgebung als Privater.

«Die Reitschule ist wohl mit der ganzen Gewalt überfordert», sagt Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause. Ihr Betrieb habe gelitten. «Sie wird mehr und mehr aufgerieben zwischen den militanten und gewaltbereiten Gruppierungen, welche die Ideale der Reitschule als Deckmantel benutzen.» Es stelle sich die Frage, «wie weit sie noch in der Lage wäre, die Türen tatsächlich zu schliessen». Was Nause damit implizit zu sagen scheint: Die Reitschulverantwortlichen müssten dann wohl selbst mit gewalttätigen Vergeltungsmassnahmen rechnen.