Sexualstrafrecht
Sexuelle Revolution im Gesetz steht bevor – doch in der Debatte dominiert eine Nebensächlichkeit

Heute Nachmittag verhandelt der Ständerat, wie der Straftatbestand der Vergewaltigung neu definiert werden soll. Ein Kommentar.

Andreas Maurer
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Eine Aktivistin von Amnesty International Schweiz.

Eine Aktivistin von Amnesty International Schweiz.

Keystone

Als ich sechs Jahre alt war, hätte mein Vater meine Mutter vergewaltigen können, und er wäre nicht dafür bestraft worden. Denn erst seit 1992 gilt eine Vergewaltigung in der Ehe als Straftat. Noch in meinem Geburtsjahr 1985 wehrte sich der Bundesrat dagegen. Er warnte vor «erheblichen Beweisschwierigkeiten» und missbräuchlichen Anzeigen.

Heute wird die aktuelle Reform des Sexualstrafrechts mit ähnlichen Argumenten bekämpft. Doch nur von einer kleinen Minderheit. Diesmal unterstützt auch der Bundesrat den Entwurf, der eine Vergewaltigung als Sex gegen den Willen einer Person definiert. Das ist ein historischer Schritt. Innert kurzer Zeit hat ein gesellschaftliches Umdenken stattgefunden. Alle haben ihre Positionen revidiert: Der Bundesrat, der zuerst eine andere Vorlage entwarf; Ständeräte der Rechtskommission, die diese zuerst guthiessen; die Aktivistinnen, die zuerst «Nein heisst Nein» forderten und nun «Nur Ja heisst Ja»; und Kommentatoren wie ich, die zuerst skeptisch waren.

In der Debatte geht der Fortschritt allerdings unter, da ein Streit über eine Nebensächlichkeit dominiert. Gestritten wird, ob es Sex «gegen den Willen» oder «ohne Einwilligung» heissen soll. Der Unterschied wird überbewertet. Wichtiger wäre, die geplante Verschärfung so zu kommunizieren, dass sie auf jedem Pausenplatz zur Kenntnis genommen wird: Sex beruht auf Gegenseitigkeit. Wer das missachtet, gehört ins Gefängnis.

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christoph aeberhard

Als wirklichen Fortschritt könnte man es bezeichnen, wenn Eltern ihrem Nachwuchs Respekt und Empathie beibringen würden. Ohne das wird sich leider auch mit der Gesetzesanpassung kaum viel ändern.