Flugzeugabstürze, Munitionsverluste und Querelen prägten das ablaufende Jahr – jetzt hoffen alle auf 2017.
Man hielt ihn für einen harmlosen Weinbauern aus der Romandie. Aber Guy Parmelin ist seit seinem Amtsantritt Anfang 2016 wie eine Lawine über das Verteidigungsdepartement (VBS) hereingebrochen. So empfinden es jedenfalls viele VBS-Mitarbeiter bis hinauf in die Chefetage. Dort, wo die Brigadiers, Divisionäre und Korpskommandanten sitzen, also die Generäle mit einem, zwei oder drei Sternen.
«Das war ein schwieriges, ein schwarzes Jahr», stöhnt ein verdienter Mitarbeiter des VBS. Wirkliche Katastrophen waren zu verzeichnen, für die Parmelin natürlich nichts konnte: so die nicht weniger als drei Abstürze von Kampfjets und Helikoptern, die drei Todesopfer forderten. Und eine Reihe von gefühlten Katastrophen, wie die faktische Absetzung des Chefs der Armee, André Blattmann, und die Sistierung des Milliardenprojekts Bodluv, beide «verursacht» durch den SVP-Bundesrat.
All diese Vorfälle, dieser explosive Mix von Unwägbarem und Unerwartetem, hinterlassen Spuren. «Die Unsicherheit ist so gross wie seit Jahren nicht mehr», sagt einer. «Es besteht allgemeine Verunsicherung.»
Für viele sei Verteidigungsminister Parmelin immer noch «unfassbar und unberechenbar», sagt ein Mitarbeiter. Man wisse noch nicht, wie der Waadtländer genau funktioniert. Vorgänger Ueli Maurer dagegen galt vielen als lesbar und wohl auch steuerbar. Im Duo mit seinem langjährigen Vertrauten Blattmann bedeutete das Stabilität und Sicherheit. Mit der Kehrseite, dass man Blattmann nachsagte, er pflege eine Günstlingskultur um sich herum.
Vorläufiger «Höhepunkt» ist die Freistellung des Oberfeldarztes Andreas Stettbacher vor drei Wochen. Noch heute weiss im VBS keiner wirklich, was vorgefallen ist und warum Parmelin gegen den Divisionär Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft anordnete. Sicher ist nur, dass die Bundesanwaltschaft das Verfahren der Militärjustiz abtreten möchte. Diese prüft derzeit, ob sie zuständig ist.
Der «Fall» Stettbacher verunsichert. Insider sagen, der organisatorische Vorgesetzte des Arztes, Divisionär Thomas Kaiser, Chef der Logistikbasis (LBA), habe das Verfahren ausgelöst. Um sich bei Parmelin einzuschmeicheln, weil er «einen dritten Stern» anpeile, also Korpskommandant werden wolle.
Divisionär Kaiser (53) dementiert das nun. Er lässt der «Nordwestschweiz» ausrichten: «Ich will keinen weiteren Stern, zwei Sterne reichen mir. Ich möchte ein guter Chef LBA sein und das gerne bis zu meiner Pensionierung bleiben.»
Aber auch ohne Divisionär Kaiser dreht sich das Personenkarussell. Und das ist ein weiterer Grund für Unruhe im VBS. Demnächst besetzt der Bundesrat auf Antrag von Parmelin eine ganze Reihe von höchsten Posten im Blick auf die neue Struktur Weiterentwicklung der Armee (WEA). Da stellen sich Fragen wie: Wer erhält wie viele Sterne und welche Territorialdivision? Wer macht Karriere, wer nicht? Dieser Sesseltanz ist in vollem Gang, Intrigen und Querelen häufen sich. Und weil keiner weiss, wie Parmelin genau tickt und wen er aus den Vorschlägen auswählt, sitzt das Personal über die Festtage wie auf Nadeln.
«Keiner wagt, sich zu bewegen», schildert ein Beobachter die Lage. Verteidigungsminister Parmelin führt anders als seine Vorgänger. Auf die Vertrauenskultur von Ueli Maurer folge eine «Kultur des Hinschauens», wie einer es ausdrückt. Je nach Standpunkt ist das aber eine Kultur des Misstrauens. Während frühere Chefs bei Problemen die Verantwortlichen jeweils zu sich zitierten und sie anhörten, fälle Parmelin Entscheide eher im Eiltempo und vom Schreibtisch aus, heisst es.
Handkehrum attestiert man Parmelin aber auch, dass er sich stark bemüht, verkrustete Strukturen aufzubrechen und saubere Entscheidgrundlagen zu erarbeiten. Dass er zuhört, dass er offen für Ratschläge ist und dass er ohne vorgefasste Meinung ans Werk geht.
Nach einem «Horrorjahr» ist das VBS im Umbruch, personell und organisatorisch. «Es kann nur besser werden», sagten sich im Verteidigungsdepartement viele. Sicher ist aber vorläufig nur: Heute übergibt Armeechef André Blattmann den Schlüssel seinem Nachfolger, dem Walliser Philippe Rebord.