Bildung
Schulleiter werden zu Managern: Droht Verlust der Nähe zum Betrieb?

Immer mehr Schulen haben keinen eigenen Schulleiter mehr. Dieser Job wird vermehrt in der Gemeindekanzlei zentralisiert. Während der Schulleiterverband diese Entwicklung begrüsst, kritisieren Lehrer die fehlende Nähe zum Schulbetrieb.

Stefan Schmid
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Das waren noch Zeiten, als der Schulvorsteher selber unterrichtete und nebenbei die Primarschule leitete. Die Pausen verbrachte er im Lehrerzimmer im Kreis seiner Kolleginnen und Kollegen, wo jeweils die neusten Entwicklungen aus der Schulstube diskutiert wurden. Der Vorsteher war sich nicht zu schade, ab und an die Pausenaufsicht im Schulhof zu übernehmen und persönliche Gespräche mit den Schülern zu führen. Diese grüssten den obersten Lehrer zumeist ehrfürchtig und freuten sich insgeheim, wenn er ihren Namen kannte.

Hauptsache zentral

Das waren noch Zeiten. Immer öfter haben Schweizer Schulhäuser keinen Schulleiter mehr, der die Schülerschaft persönlich kennt. Der Grund: Sein Büro ist nicht mehr vor Ort. «Es gibt einen Trend zur Zentralisierung und damit verbunden zur Erhöhung der Pensen für Schulleiter», sagt Peter Baumann, Gesamtschulleiter im nidwaldnischen Hergiswil und Mitglied der Geschäftsleitung des Schweizerischen Schulleiterverbands (VSLCH). Die Entwicklung werde begrüsst. «Wir brauchen professionellere Strukturen und wollen keine Rollenkonflikte mehr», sagt Baumann. Die Ansprüche seien gestiegen, Schulleiter haben viele Aufgaben, die sich in den wenigsten Fällen im Nebenamt erledigen lassen. Sie sollen sich deshalb auf ihre Führungsaufgabe konzentrieren und nicht mehr selber – wie bisher üblich – zahlreiche Lektionen unterrichten müssen.

Ein Beispiel für die neuen Strukturen ist Münchenbuchsee im Kanton Bern: Seit Frühjahr 2013 befinden sich die Schulleitungen der zwei Sekundarschulen im Gemeindehaus. Früher bereits hat die Gemeinde die Leitung der 5 Kindergärten und Primarschulhäuser zentralisiert. «Die Schulleitungen verfügen über kurze Wege zur Gemeindeverwaltung und können auf einfache Weise Fragen klären», sagt Pascal Lerch, für die Bildung verantwortlicher Gemeinderat: Etwa mit der Einwohnerkontrolle Fragen zur Anmeldung von Familien, mit der Finanzabteilung Budgetfragen oder mit der Präsidialabteilung Anstellungsfragen oder Gemeinderatsgeschäfte. Diese Zentralisierung müsste nicht zwingend in den Räumen der Gemeindeverwaltung sein – wichtig sei vielmehr, dass der Standort gut erreichbar ist und die Mitglieder der Schulleitung als Team funktionieren und Synergien genutzt werden können.

Manager statt Lehrer

Lehrpersonen beobachten die Entwicklung derweil mit Sorge. Eine Lehrerin, die an einer betroffenen Schule unterrichtet, vermisst die physische Präsenz des Schulleiters. «Es macht vieles komplizierter. Ein Problem lässt sich nicht einfach so beim Kaffee besprechen, sondern man muss zum Telefon greifen.» Ein anderer Lehrer sagt: «Die Schulleitung gehört ins Schulhaus. Was nützt mir ein Chef, der die Probleme von Lehrern und Schülern nur vom Hörensagen kennt und aus der Ferne nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen die Schule managt?»

Der Dachverband der Schweizer Lehrer (LCH) versteht das Anliegen seiner Mitglieder: «Es ist wichtig, dass zwischen Leitung und Lehrerschaft kein Vakuum entsteht und die Lehrerinnen und Lehrer angemessen mitwirken können», sagt LCH-Zentralsekretärin Franziska Peterhans. Der Verband wehrt sich aber nicht grundsätzlich gegen Reformen bei den Schulleitungen. Wie eine Studie, deren Ergebnisse im Dezember vollumfänglich vorliegen werden, zeigt, hat die Zufriedenheit der Lehrpersonen mit der Arbeit der Schulleitungen in den letzten Jahren eher zugenommen. Es gebe aber auch Stimmen, die kritisch und unzufrieden seien mit ihrer Schulleitung, sagt Peterhans.

Peter Baumann vom Schulleiterverband kennt diese Stimmen und sagt: «Die Zentralisierung der Schulleitungen führt zu einem Näheverlust.» Man sei sich dessen bewusst und versuche aktiv Gegensteuer zu geben, indem die Schulleiter ihr Büro oft verlassen und die Schulen besuchen. Klar sei aber auch: Die Schulen müssten sparen. Effizientere und schlankere Führungsstrukturen seien daher unausweichlich.

Den Kommentar von Hans Fahrlämder lesen Sie hier.