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Schweiz
Bundesrätin Simonetta Sommaruga will massiv aufrüsten, damit ländliche Gebiete bei der Digitalisierung nicht abgehängt werden. Ihr Plan: Die Swisscom soll gezwungen werden, auch in Randregionen sehr schnelle Internetverbindungen anzubieten.
Schweizerinnen und Schweizer sollen so schnell im Internet surfen können wie kaum jemand sonst in Europa. Vor allem aber sollen die Eidgenossen dies auch im abgelegensten Bergtal tun können. Dafür will SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga sorgen, wie sie im Gespräch mit CH Media ankündigt.
Die Infrastrukturministerin plant derzeit eine Anpassung der Fernmeldeverordnung: Sie will die Grundversorgungskonzession der Swisscom auf 2024 hin so anpassen, dass der Konzern künftig überall eine Versorgung mit schnellem Internet sicherstellen muss, wo dies von der Bevölkerung gewünscht wird. Dies bedeutet konkret: Statt heute mindestens 10 Megabit pro Sekunde wird die Geschwindigkeit künftig mehr als 80 Megabit betragen müssen. Die Vernehmlassung dazu soll bald eröffnet werden.
Der Ausbau kommt vor allem abgelegenen ländlichen Regionen zugute. Denn in den Städten und Agglomerationen ist der Markt für die Anbieter lukrativ. Dort gehört das schnelle Internet heute bereits zum Standard. «Es ist mir ein Anliegen, die Versorgung der ganzen Bevölkerung in der ganzen Schweiz mit schnellem Internet sicherzustellen», sagt Sommaruga nun gegenüber dieser Zeitung. Und weiter:
«Es darf keinen digitalen Graben zwischen Stadt und Land geben.»
Für die SP-Bundesrätin «gehört es zum Service Public, dass es nicht nur dort ein Angebot gibt, wo es rentiert». Die Coronakrise hat der Bundesrätin nochmals gezeigt, wie wichtig ein schnelles Netz ist. «Zahlreiche Leute haben von zu Hause aus gearbeitet», sagt Sommaruga. «Dies muss auch in den Randregionen der Schweiz problemlos möglich sein.» Das schnelle Netz erleichtere den digitalen Alltag – etwa wenn mehrere Leute in einem Haushalt gleichzeitig per Video telefonieren, Filme streamen und Dateien herunterladen.
Bisher war der Ausbau umstritten: Im Ständerat wurde zuletzt ein entsprechender Vorstoss sistiert. Die Telekombranche hatte sich heftig dagegen gewehrt; sie warnte vor Zusatzkosten in Milliardenhöhe. Auch der Gesamtbundesrat hatte sich noch im vergangenen Jahr gegen entsprechende Pläne ausgesprochen. Ein staatlich vorgeschriebener flächendeckender Netzausbau käme «einem massiven Eingriff in den Wettbewerb gleich», hiess es damals noch. Die Devise: Die Grundversorgung sei nicht für einen flächendeckenden Anschluss ans Hochbreitbandnetz geeignet.
Doch Sommaruga prescht jetzt über den Verordnungsweg vor. «Das ist der Weg, auf dem wir das Ziel am schnellsten erreichen können», sagt sie. Allerdings geht ihr Vorschlag weniger weit als frühere Projekte. Denn der Ausbau ist nicht zwingend: Das heutige Angebot von 10 Megabit pro Sekunde, bereits ein internationaler Spitzenwert, bleibt in der Grundversorgung bestehen. Nur auf ausdrücklichen Wunsch hin muss das Angebot auf 80 Megabit ausgebaut werden – und nur dort, wo nicht schon ein lokaler Anbieter das Angebot bereitstellt. Eingesetzt werden kann von der Konzessionärin die «jeweils am besten geeignete Technologie»; also etwa auch über Mobilfunk oder Satellit. Gemäss ersten Berechnungen des Bundes lägen die Investitionen unter einer Milliarde Franken. Damit das Angebot für die Bevölkerung erschwinglich bleibt, wird eine Preisobergrenze festgesetzt.
Wenig erfreut ist die Telekombranche. Sie befürchtet massive Zusatzkosten. Zurückhaltend äussert sich derzeit allerdings die Swisscom. Da noch kein konkreter Umsetzungsvorschlag bekannt sei, «können wir zu detaillierten Fragen noch keine Stellung beziehen», erklärt Sprecher Armin Schädeli. Die Grundversorgerin Swisscom betont, dass die Schweiz im europäischen Vergleich «über eine ausgezeichnete Breitbandversorgung» und ein sehr gutes Grundversorgungsangebot verfüge.
2019 waren 3,9 Millionen – oder rund drei Viertel – aller Wohnungen in der Schweiz bereits mit 80 Megabit pro Sekunde erschlossen. Laut Branchenschätzungen könnten künftig wohl rund 10 Prozent der Haushalte Anspruch auf das schnellere Internet geltend machen, weil in ihrer Region lokale Angebote fehlen.
Im Parlament war es der Bündner Mitte-Nationalrat Martin Candinas, der ein Hochleistungsnetz für alle gefordert hat. Dass Sommaruga seiner Forderung nun trotz erbittertem Widerstand seitens Swisscom und Bedenken aus dem Ständerat nachkommt, freut ihn. Die Forderungen der Bergregionen seien im Bundesrat endlich erhört worden, sagt Candinas.
Den Einwand, dass die Schweiz bereits heute bei der Grundversorgung in Europa an der Spitze liegt, will Candinas nicht gelten lassen. er sagt:
«Wenn die Internetgeschwindigkeit von 10 auf 80 Megabit pro Sekunde steigt, dann ist das keine Luxuslösung.»
Vielmehr gehe es darum, den Graben zwischen peripheren und städtischen Regionen zuzuschütten.
Der Walliser Thomas Egger ist Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete. Er setzt grosse Hoffnungen auf ein schnelleres Internet:
«Dank der Digitalisierung können die Distanzen als einer der Standortnachteile überwunden werden.»
Bisher seien vor allem Gebiete «mit grossem Marktpotenzial erschlossen» worden. «Dies führte zu einer systematischen Benachteiligung der Berggebiete und ländlichen Räume», so Berglobbyist Egger. Gerade die Homeoffice-Pflicht in der Coronazeit habe aber neue Chancen für die Berggebiete aufgezeigt. «Es gibt Leute, die mieten ein Chalet und arbeiten von dort aus.»