E-Voting
Sammeln von Unterschriften wegen Schutzmassnahmen kaum möglich: Die erste Initiative gibt auf

Die Initianten für ein E-Voting-Moratorium stoppen ihre Unterschriftensammlung. Nicht nur ihnen machen Abstandsregeln, Hygieneempfehlungen und Veranstaltungsverbote zu schaffen.

Sven Altermatt
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Desinfektionsmittel gehören auch bei Unterschriftensammlern derzeit zur Standardausrüstung.

Desinfektionsmittel gehören auch bei Unterschriftensammlern derzeit zur Standardausrüstung.

Hanspeter Bärtschi (Solothurn, 6. Juni 2020

Fünf Monate hätten sie noch Zeit gehabt. Aber jetzt ziehen sie vorzeitig die Reissleine: Die Initiative für ein E-Voting-Moratorium stoppt die Unterschriftensammlung. Das überparteiliche Komitee, dem unter anderem SVP-Nationalrat Franz Grüter und Grünen-Präsident Balthasar Glättli angehören, sieht sich nicht mehr im Stande, bis am 23. November die nötigen 100'000 Unterschriften zusammenzubekommen.

Mit der Volksinitiative wollte man die Einführung der elektronischen Stimmabgabe verhindern. Bis der Bundesrat im März wegen der Coronakrise das öffentliche Leben in den Tiefschlaf versetzte, konnte das Komitee nach eigenen Angaben die Hälfte der Unterschriften sammeln.

Vom 21. März bis zum 31. Mai 2020 galt ein Fristenstillstand für Initiativen und Referenden. Das Sammeln von Unterschriften war untersagt. Seit dem 1. Juni dürfen die Komitees dies wieder tun. «Theoretisch», wie Komiteepräsident Grüter betont: «Schliesslich gelten weiterhin Abstandsregeln, Hygienevorschriften und Veranstaltungsverbote.» Vor diesem Hintergrund wäre das Zustandekommen der Initiative nur «mit unverhältnismässig hohem Aufwand möglich gewesen».

Bis zu fünf Franken für eine gesammelte Unterschrift

Die Bundeskanzlei veröffentlichte für Unterschriftensammlungen ein Schutzkonzept. Dieses empfahl unter anderem, dass die Sammler den gebotenen Abstand zu Passanten einhalten sollten. Weiter sollten sie die Unterzeichnenden fragen, ob sie einen eigenen Stift zum Ausfüllen der Liste dabeihaben und die bereitgestellten Stifte regelmässig reinigen. In der vorliegenden Form ist das Schutzkonzept zwar nicht mehr aktuell, wie die Bundeskanzlei auf Anfrage erklärt. Denn: Unterschriftensammlungen gelten als Veranstaltungen. Und bei Veranstaltungen bis 30 Personen braucht es seit dieser Woche kein Schutzkonzept mehr. Ungeachtet dessen müssten aber weiterhin «die Vorgaben zu Distanz und Hygiene eingehalten werden». In der Praxis ändert sich also wenig.

SVP-Nationalrat Grüter selbst ging in Luzern noch mit Unterschriftenbögen auf die Strasse. «Es war ein Murks», sagt er. Von selbst käme niemand auf die Sammler zu, die meisten wichen aktiv aus. Und wenn jemand dann doch zu einem Gespräch bewegt werden könne, dürfe man sich ja nicht zu nahe kommen. «Das macht es schwierig, ein Anliegen zu erklären.»

Was die Situation zusätzlich erschwert: Anlässe, bei denen viele Unterschriften zusammenkommen, finden nicht mehr statt. Darauf verweist auch Patrick Eugster, der das Komitee der Renten-Initiative des Jungfreisinns präsidiert. Zwar läuft das Sammeln auf der Strasse seiner Einschätzung nach besser als befürchtet. «Überraschend viele Leute lassen sich gerne auf ein Gespräch ein», sagt Eugster diesbezüglich. Doch besonders der Wegfall von Anlässen bereitet ihm Sorgen:

Messen, wie etwa die Olma, sind sehr wichtig für Komitees. Da sammelt man locker ein paar tausend Unterschriften.

Als ergiebig gelten überdies Musikfestivals, Volksfeste, Verkaufsmärkte und natürlich Parteianlässe – wären sie nicht allesamt abgesagt worden.

Üblich ist auch, dass Komitees auf die Dienste von Sammelprofis setzen. Meist handelt es sich um gewerbemässige Organisationen oder eigens engagierte Hilfskräfte, die mehrere zehntausend Unterschriften beisteuern. Normalerweise bekommen sie pro Unterschrift zwei bis drei Franken. Momentan aber werden schon mal fünf Franken dafür verlangt, wie aus dem Kreis von Komitees und Parteien zu hören ist. Ein happiger Preis, der zum einen mit dem Zeitdruck mancher Initiativen zu erklären ist. Zum anderen mit dem höheren Ansteckungsrisiko, dem die Sammler im öffentlichen Raum ausgesetzt sind.

Nach dem Aus der Initiative für ein E-Voting-Moratorium befinden sich gegenwärtig noch 14 Volksbegehren im Sammelstadium. Bevor der Bundesrat den Fristenstillstand aufgehoben hat, forderten zehn Komitees vergeblich Erleichterungen für Volksbegehren. Nebst einer Verlängerung der Sammelfrist verlangten sie unter anderem eine Halbierung der Unterschriftenzahlen. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats teilte entsprechende Kritik.

Aus Sicht des Bundesrats rechtfertigt sich ein weiterer Aufschub nicht, «auch wenn es wegen der geltenden Verhaltens- und Hygieneregeln schwierig ist, im öffentlichen Raum Unterschriften zu sammeln». Eine eigentliche Verlängerung der Sammelfristen würde eine Verfassungsgrundlage verletzen – selbst auf Basis von Notrecht. Die Fristen sind in der Bundesverfassung festgeschrieben.