Startseite
Schweiz
Der Rüstungskonzern Ruag verdiente mehr Geld mit Armeeaufträgen als abgemacht. Finanzielle Folgen hat das nicht.
Imageschädigend. Fast schon verleumderisch. Schlecht recherchiert: Urs Breitmeier, Chef des staatlichen Rüstungs- und Technologiekonzerns Ruag, kritisierte im Januar mit harten Worten einen Bericht dieser Zeitung. Die Recherche von Mitte Dezember brachte die Ruag in Bedrängnis. Der Verdacht: Der Konzern habe der Armee zu viel Geld verrechnet für die Wartung von Kampfjets und Helikoptern.
Breitmeier reagierte auf den Druck. Die Ruag öffnete die Bücher, damit die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) die Gewinnvereinbarung mit dem Verteidigungsdepartement überprüfen konnte. Es war ein wichtiger Schritt. Zuvor hatte die EFK während vier Jahren vergeblich versucht, die nötigen Informationen von der Ruag zu bekommen.
Die obersten Finanzkontrolleure des Bundes haben die Rechnungsjahre 2013 bis 2017 angeschaut. Es zeigt sich, dass die Gewinnmargen der Ruag über den mit dem Verteidigungsdepartement vereinbarten acht Prozent lagen – nämlich zwischen 11,6 und 14,6 Prozent. In den letzten fünf Jahren hat die Ruag mit Aufträgen der Armee 1,1 Milliarden Franken Umsatz gemacht.
Die Kontrolleure stellen also fest, dass die Ruag von der Armee zu viel Geld verlangt hat – bis zu 15 Millionen Franken jährlich. Allerdings wurden – im Gegensatz etwa zum Postautoskandal – keine Manipulationen bei den Buchungen festgestellt. Die überhöhten Rechnungen kamen vielmehr dadurch zustande, dass den Aufträgen nicht zugehörige Kosten zugeordnet worden waren. Diese Quersubventionierungen zugunsten von andern Ruag-Tätigkeiten hat die EFK korrigiert.
So hatte die Ruag zum Beispiel zweimal eine Gewinnmarge auf Ersatzteilen erhoben. Weiter moniert die EFK die Anrechnung von Forschungs- und Entwicklungskosten für das zivile Flugzeug Dornier 228 oder zu hohe Administrations-, Sponsoring- und Marketingkosten. Zudem strich sie den Zuschlag für kalkulatorische Abschreibungen und Zinsens. Dieser war zwar 2001 mit dem Verteidigungsdepartement vereinbart worden, stellt in den Augen der EFK aber eine Gewinnkomponente dar. Dieser Zuschlag habe die Ruag bei anderen Kunden nicht einkalkuliert, so die Finanzkontrolleure.
Die Ruag reagierte erstaunt darauf, dass die EFK das Kalkulationsschema ablehnt, welches der Rüstungskonzern und das Verteidigungsdepartement 2001 vereinbart hatten. Dieses sei von der internen Revision des Verteidigungsdepartements über 50 Mal und von der Finanzkontrolle viermal geprüft worden. Zumindest die EFK sieht das nicht so. Die Ruag war erst bereit, volle Transparenz zu schaffen, nachdem diese Zeitung ihre Recherchen veröffentlicht hatte.
Der Rüstungskonzern kritisiert, dass die EFK die Armee gegenüber anderen Kunden bevorzuge, wenn ihr nur noch eindeutig zurechenbare Kosten angerechnet werden sollen. Die Gemeinkosten würden damit nicht mehr gleichmässig verteilt. Die Ruag zeigt sich in einer Stellungnahme zwar bereit, über allfällige Anpassungen «nachzudenken», diese müssten aber sorgfältig durchdacht werden. Das Unternehmen warnt insbesondere davor, dass Drittkunden höhere Gemeinkosten verrechnet werden müssten, was zu höheren Preisen und damit zu Umsatz- und Synergieverlusten führe – und letztlich höhere Kosten für den Bund zur Folge hätte.
Trotz der Kritik: «Die EFK verlangt von der Ruag kein Geld zurück», sagt Direktor Michel Huissoud. Die Ruag habe keine Vertragsverletzungen begangen: «Die entsprechenden Bestimmungen sind so unpräzise formuliert, dass man der Ruag keinen Vorwurf daraus machen kann», sagt der Chefprüfen. Und weiter: «Die Ruag hat nichts falsch gemacht. Wir verlangen vom Verteidigungsdepartement, es in Zukunft besser zu machen.»
Die Finanzkontrolle spielt den Ball also dem Verteidigungsdepartement zu. Dort will man die Ergebnisse der EFK bei der Neuverhandlung des Vertrages mit der Ruag berücksichtigen. Allerdings erfolgen diese erst 2021. Zudem wird ab 2020 eine externe Revisionsstelle jährlich einen Bericht zur Einhaltung der Grundsätze der Kostenrechnung erstellen. Mit der Entflechtung der Ruag werden die Geschäftsbereiche MRO Schweiz und RUAG International zudem komplett voneinander getrennt. Damit seien Querfinanzierungen zwischen dem Schweizer und dem internationalen Geschäft in Zukunft ausgeschlossen, schreibt das Departement.