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Von Agitprop bis zu Gott: Der SVP-Nationalrat und «Weltwoche»-Verleger Roger Köppel spricht im Interview über SP-Politiker Cédric Wermuth, mit dem er nächste Woche in Zofingen auf dem Podium debattiert, über seine religiöse Ader, seine peinlichsten Artikel und den Hartbeton der Volkssouveränität.
Es gehört zu meinem Selbstverständnis als Politiker und Publizist, mich mit Andersdenkenden auseinanderzusetzen. Es ist auch eine Art Aufklärung der Bevölkerung.
Er ist ein Linkstheoretiker, ein Klappentext-Linker. Ich habe im Studium auch viele linke Autoren gelesen. Ich habe ihre Bücher ganz gelesen. Mein Verdacht ist: Wermuth las nur die Klappentexte. Vielleicht glaubt er auch tatsächlich daran. Cédric Wermuth ist ein smarter Typ, der politisch konsequent falsch liegt, einer, der auf sein Aussehen Wert legt. Er verbringt sicher viel Zeit im Fitnessstudio...
Ich spiele Tennis. Wermuth hat den linken Provokationsslang drauf. So kommt er bei seinen Fans steil raus.
Ich suche die Substanz, der talentierte Herr Wermuth sucht den Effekt: diesen linken Agitprop-Style. Ich spüre bei ihm aber einen Zug der oberflächlichen Verbürgerlichung. Er versucht sich wohl karrieretechnisch akzeptabel zu machen, falls ein Ämtli oder so kommt. Ich gehe einen anderen Weg. Ich suche nicht die Politkarriere, ich bin Unternehmer und Publizist.
Nein, das ist ein Milizamt. Cédric Wermuth hat dieses Karrierebewusstsein in der Politik. Er ist für mich ein smarter Marketing-Typ in eigener Sache.
Ist doch irgendwie ein Kompliment. Die Modelle, die Wermuth und andere anbieten, sind hors sol, weit von der Wirklichkeit weg. Ich würde Wermuth aber zugutehalten, dass seine schrille sozialistische Rhetorik nicht unbedingt seiner innersten Herzkammer entspringt. Er ist ein orthodoxerer Karriere- und Mainstream-Politiker, als er vorgibt.
Nein, nur meine Zitate. Mehr nicht. Es ist keine autorisierte Biografie.
Das weiss ich nicht, aber ich war beeindruckt von seinen Recherchen. Und obwohl er von weit links kommt, wirkte er offen und neugierig.
Ich schätze Dani Ryser. Ein hoch begabter Journalist. Ich bot ihm an, bei der «Weltwoche» zu arbeiten. Mein Misstrauen zielte darauf ab, ob er wie die meisten eine Agenda hat und allem seine vorgefasste Meinung überstülpt.
Nein, ich hatte kein Kalkül und war bis zum Schluss ambivalent. Nicht mit ihm zu reden, wäre aber sicher keine Haltung gewesen.
Wissen Sie, das ist lustig: Für einen linken Journalisten muss ein Journalist, der nicht links ist, offenbar einen Dachschaden oder eine hirnmässige Verhärtung haben. Ich finde, die meisten linken Journalisten sind viel härter als ich, was da eins moralisiert und verunglimpft wird. Das Moralisieren ist das Schlimmste.
Ich hoffe nicht. Moralisieren heisst: Weil einer anders denkt, ist er gleich ein böser Mensch. Moralisten schwärzen Personen an, um nicht über die Sache zu reden.
Das war selbstverschuldete Kleinkorruption. Im Sinne des grösseren Guten schrieb ich einen taktisch motivierten Artikel...
Ja. Ich hatte damals eine ganze Redaktion geholt und den Skandal-Artikel geschrieben «Ueli Maurer, der letzte Staatsmann». Michael Ringier meinte, wer so einen Seich schreibe, müsse intellektuell zulegen. Ich gebe hier zu: Unter dem Druck der nahenden Fremdherrschaft, der dunklen Macht, habe ich, um nicht gleich rausgeschmissen zu werden, der neuen Führung entgegengeschrieben. Mea maxima culpa!
Man kann egoistische Motive nie ausschliessen, immerhin hatte ich ein Harvard-Studium und den Chef-Job bei der Sonntagszeitung ausgeschlagen, um zur Weltwoche zu kommen. Aber ich bilde mir ein, ich tat es vor allem wegen der Kollegen.
Ich bin eher nicht religiös erzogen worden und auch kein tiefgläubiger Mensch. Aber das Christentum fasziniert mich philosophisch und zwar immer mehr. Für mich ist das Christentum das genialste metaphysische System, das es gibt. Es verhindert die Tendenz des Menschen zur Selbstvergötterung. Die wichtigste Botschaft: Gott ist Gott, allgegenwärtig, uns tragend, aber durch den Menschen nicht verfügbar oder instrumentalisierbar. Man kann nicht mit dem lieben Gott für oder gegen die Masseneinwanderungsinitiative kämpfen. Das Christentum ist das konsequenteste Denksystem gegen die Diktatur. Islamisten glauben, sie können sich den Weg ins Nirwana freiköpfen. Ein Hitler verlangte von der Kirche den Treueeid. Als Christ ist man frei von solchem Dämonenglauben.
Publizistisch hervorragend, aber wie alle kämpfen wir gegen Abo- und Anzeigenverluste. Es ist dennoch gelungen, einen schweren Verlustbringer zu einem profitablen Unternehmen zu machen.
Ich bin 25 Prozent Deutscher. In meiner Kindheit habe ich viel von deutscher Geschichte mitbekommen. Ein Stiefonkel fiel 17-jährig im Ostfeldzug. Deutschland wurde historisch mit dem Bulldozer umgepflügt, die Schweiz blieb verschont. Warum? Weil wir der Macht misstrauen, weil wir eine direkte Demokratie der Machtzertrümmerung haben. In Deutschland drückt aktuell der Obrigkeitsstaat massiv durch: Herrenreiter-Gehabe in der Regierung, Verunglimpfung, ja Kriminalisierung der Opposition, ja aller Andersdenkenden als «Rechtsextreme». Es heisst, die im Osten seien halt durch jahrzehntelange Diktatur deformiert, süchtig nach einem Führer. Ich spüre gerade im Osten den Drang nach Freiheit und Demokratie, die Herrenreiter sitzen im Westen.
Wenn einem nichts mehr einfällt, kommt man mit der Nazi- oder der Populismus-Keule. Hätte ich den Eindruck, in Deutschland marschierten richtige Nazis, würde ich Guy Parmelin sagen, er solle die Armee mobilisieren. Nein, es geht um Demokratie. Ich habe Angela Merkel lange verteidigt. Aber es gab einen Bruch. Mit ihrer falschen Behauptung, es habe in Chemnitz «Hetzjagden» auf Ausländer gegeben, verleumdet sie einen Teil ihres Volks. Diese Arroganz, diese Verleumdung, dieses Herrenreiter-Reitpeitschen-Gehabe treibt die Menschen auf die Strasse.
Klar, ich bin recht bekannt in Deutschland, auch die Weltwoche kennt man, und jeder deutsche Leser ist willkommen. Aber das war nicht die Motivation. Es geht um Journalismus. Wir haben einen offenen neutralen Blick, der nicht schon in einer moralischen Sauce zurechtgemischt wird.
Roger Köppel wurde 1965 in Zürich geboren. Er wuchs zusammen mit
einem älteren Halbbruder in Kloten auf. In seiner Jugend wurde er von Schicksalsschlägen quasi gestählt. Eine diese Woche erschienene Biografie des Journalisten Daniel Ryser schildert eindrücklich, wie der 13-jährige Köppel damit klarkommen musste, dass seine Mutter Suizid beging. Sein Vater starb nur ein Jahr später. Viele Weggefährten schildern in dem Buch, dass sie den aufgeweckten Schüler
Roger und auch später den talentierten Jungjournalisten Köppel als eher links denkenden Menschen wahrnahmen. Köppel startete nach seinem Studium der politischen Philosophie eine rasante Karriere, war mit 32 Jahren schon Chefredaktor des «Magazins». 2001 übernahm er ein erstes Mal die «Weltwoche», wechselte dann als Chefredaktor zur deutschen «Welt». Ein paar Jahre später übernahm er von einer Gruppe um den Tessiner Financier Tito Tettamanti als Verleger die «Weltwoche». Doch Unternehmer zu sein, reichte ihm nicht. So wurde Köppel Mitglied der SVP, kandidierte 2015 für den Nationalrat und wurde mit einem Rekordresultat gewählt. Heute tingelt der begnadete Redner mit Vorträgen für die SVP und seine «Weltwoche» durch die Schweiz. Laut Parteikollegen füllt er mittlerweile die Säle besser als Parteiübervater Christoph Blocher. Kommenden Dienstag, 18. September, duelliert er sich auf Einladung von SP-Vertretern mit SP-Nationalrat Cédric Wermuth in Zofingen. Die Veranstaltung findet im Bildungszentrum BZZ statt und startet um 20 Uhr.
Stimmt. Theoretisch. Das Volk ist die letzte Hüterin des Rechtsstaates, der Demokratie, der Menschenrechte. Aber 2012 hat eine kleine Kammer des Bundesgerichts in einer Anmassung dieses bewährte System weggeputscht. Die Richter haben in einem konkreten Fall die Ausschaffung eines ausländischen Verbrechers verweigert mit der ungeheuerlichen Begründung: Das ausländische Recht stehe generell, also immer, über schweizerischem Recht.
Halt, halt. Natürlich können wir ausländisches Recht übernehmen, aber das Volk und die Kantone müssen das letzte Wort haben, nicht die Richter. 2012 war ein Staatsputsch des Bundesgerichts, das sich zum Verfassungsgeber aufgeschwungen hat. Und auf einmal soll jedes internationale Verträgli, sollen ausländische Gerichtsentscheide immer über Volksentscheiden stehen? Das ist ein Angriff auf die direkte Demokratie. Das müssen wir rückgängig machen. Mit der Selbstbestimmungsinitiative.
Nehmen Sie zehn Juristen, Sie haben zehn Meinungen. Ich sage: Hier geht es um die wichtigste Frage in der Politik: Wer macht die Gesetze in der Schweiz? Wer entscheidet? Sind es die Schweizer, Volk und Stände? Oder entscheidet das Ausland? Entscheiden Richter und Politiker und Beamte mit Hilfe des internationalen Rechts, das sie über unsere Verfassung stülpen? Die Antwort ist klar: Das Volk ist der oberste Verfassungsgeber in der Schweiz. Das Volk aber wird heute mit überschlauen juristischen Ausschweifungen ausgebremst, siehe Nichtumsetzung Masseneinwanderungsinitiative.
Die Zweitwohnungsinitiative wurde in Absprache mit den Initianten verwässert, die Masseneinwanderungsinitiative wurde gegen die Initianten nicht mal promillemässig umgesetzt. Die gleichen Abstimmungsverlierer, die nach der Abstimmung sagten, man müsse wörtlich umsetzen, sagten ein Jahr später, man könne gar nicht umsetzen – wegen der EU, wegen des internationalen Rechts. Merken Sie etwas? Man will das Volk entmachten, entrechten. Das internationale Recht ist der neue Zauberstab der classe politique, um unliebsame Volksentscheide, um das lästige Volk wegzuzaubern.
Hören Sie doch auf. Wo hat das Schweizer Volk akzeptiert, dass jetzt das ausländische Recht generell über dem schweizerischen steht? Warum gehen die Leute überhaupt noch zur Abstimmung, wenn sie doch angeblich akzeptiert haben, dass man ihre Volksentscheide gar nicht mehr umsetzt wie bei der Masseneinwanderung? Machtgierige und superschlaue Juristen und Politiker wollen die Macht des Volkes zurückbinden. Endpunkt: Abschaffen. Um selber zu bestimmen!
Leider nein. Bilden wir uns nicht ein, wir seien die besseren Menschen in der Schweiz. Unsere Politiker sind genauso machthungrig wie Politiker im Ausland. Die direkte Demokratie stört. Die meisten Leute hier drin im Bundeshaus haben es nicht gerne, dass ihre genialen Eingebungen am Hartbeton der schweizerischen Volkssouveränität abprallen.
Die Richter sollen das Recht auslegen und anwenden, richtig. Aber sie sollen es nicht selber machen, indem sie willkürlich das internationale Recht über die Verfassung, über Volk und Stände stellen.
Nein, aber ich bin gegen diese zum Teil weltfremde, tief in unsere Souveränität eingreifende Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs mit Richtern, die unter anderem von Putin, Erdogan oder dem von links so gehassten Viktor Orbán nominiert worden
sind. Wissen die besser über Menschenrechte Bescheid als wir Schweizer?
Es geht bei der Selbstbestimmungsinitiative darum, die direkte Demokratie zu retten. Mit den Menschenrechten haben wir keine Probleme, die sind alle, erdbebensicher, in unserer Verfassung verankert.