Nachruf
Ringier nennt Kritik an Marc Rich antisemitisch

Verlegergattin beurteilt mediale Darstellung des Rohstoffhändlers als judenfeindlich – Kritiker finden Vorwurf «absurd»

Thomas Schlittler
Drucken
Joe Lang: «Ausschliesslich Geschäftspraktiken kritisiert.» HO

Joe Lang: «Ausschliesslich Geschäftspraktiken kritisiert.» HO

Ellen Ringier stört sich an der kritischen Berichterstattung nach Marc Richs Tod. In der aktuellen Ausgabe der «Schweizer Illustrierten» wirft sie den Kritikern des jüdischstämmigen Rohstoffhändlers vor, ein «antisemitisches Zerrbild» von ihm zu zeichnen. Die Frau des Schweizer Verlegers Michael Ringier, der Publikationen wie den «Blick», den «SonntagsBlick» und die «Schweizer Illustrierte» herausgibt, war mit Rich befreundet.

Ellen Ringier beklagt, dass die Medien folgendes Stereotyp von Rich bewusst pflegen: «Eine Hakennase im Gesicht, die obligate Zigarre im Mund, die Augen hinter Sonnengläsern verdeckt.» Da passe das Adjektiv skrupellos nahtlos dazu, und konsequenterweise sei er ja auch reich gewesen. «Ein typischer Jude eben!», schreibt Ringier. Sie wirft den Medien vor, Rich absichtlich in dieses Schema zu pressen. «Ich kann nicht anders, als dieses Zerrbild als antisemitisch zu benennen», so die Verlegergattin.

Zwei der schärfsten Rich-Kritiker sind die Zuger Politiker Joe Lang und Hanspeter Uster von der alternativen Grünen. Dass die Kritik an Rich, dem Gründervater des Zuger Rohstoffgiganten Glencore-Xstrata, antisemitisch motiviert sei, bezeichnen beide als «absurd». Sie selbst hätten Rich nie als Juden kritisiert, sondern ausschliesslich seine Geschäftspraktiken im Visier gehabt. «Antisemitismus haben wir immer dezidiert verurteilt», so Lang.

Tatsachenverdrängung bei Ringier?

Wie kommt die 61-jährige Juristin dazu, den Medien Antisemitismus vorzuwerfen? Ex-Nationalrat Lang hat eine einfache Erklärung: «Als überzeugte Antirassistin hat Ellen Ringier offenbar Mühe damit zu akzeptieren, dass ihr Freund Marc Rich seinerzeit mit dem rassistischen Apartheid-Regime von Südafrika Geschäfte machte.» In der aktuellen Ausgabe der linken Wochenzeitung «WOZ» widmet Lang diesem Thema einen Artikel. Ringiers Antisemitismus-Anschuldigungen hält er für einen Versuch, auf billige Art ein emotionales Dilemma zu lösen.

«Die Nordwestschweiz» hat Ellen Ringier mit diesen Vorwürfen konfrontiert. Per Mail antwortet sie: «Wieso fühlen sich die beiden Herren überhaupt betroffen? Ist in meinem Text überhaupt von den beiden Herren die Rede?» Und bezüglich Geschäftemachen mit dem südafrikanischen Apartheid-Regime fragt sie rhetorisch: «Wie hiessen nochmals die Schweizerischen Wirtschaftsvertreter (inkl. Banker), die damals – zu Boykott-Zeiten – mit dem rassistischen Südafrika Geschäfte machten?»

In ihrer Würdigung von Marc Rich schreibt Ringier von einem «leisen und liebenswerten Menschen». Die Attribute, die Richs stereotyp zugeschrieben wurden, liessen in keiner Art und Weise den Marc erkennen, den sie erlebt habe. In der Berichterstattung nach Richs Tod kamen solch positive Beschreibungen kaum vor. Zwar wurde der 78-Jährige wahlweise als «brillant», «vorausschauend» und «Macher» bezeichnet. Mindestens genauso oft fielen aber Worte wie «aggressiv», «skrupellos» und «opportun».