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99-Prozent-Initiative: Juso-Chefin Jansen steht in der Kapitalsteuer-«Arena» unter Beschuss

Schafft die 99-Prozent-Initiative mehr Gerechtigkeit? Die SRF «Arena» suchte vergebens nach einer Antwort auf diese Frage. Spannend an der Sendung waren nur die Angriffe zweier Männer auf Juso-Chefin Jansen.

Watson / Vanessa Hann
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Gewerkschafterin Katharina Prelicz-Huber (l.) und der Juso-Präsidentin Ronja Jansen in der Arena.

Gewerkschafterin Katharina Prelicz-Huber (l.) und der Juso-Präsidentin Ronja Jansen in der Arena.

SRF

Superreiche sollen mehr Steuern zahlen: Das will die Juso mit ihrer «99-Prozent»-Initiative, die am 26. September an die Urne kommt. In der SRF-«Arena» wollte Sandro Brotz mit seinen Gästen über die Gerechtigkeit dieses Vorhabens zu diskutieren. Leider erfolglos.

Ueli Maurer hatte «keine Lust»

Tatsächlich scheiterte Brotz aber nicht wie beim letzten Mal an der ungesitteten Debattenkultur: Die Studiogäste waren anständig und fielen sich – mit wenigen Ausnahmen – nicht ins Wort. Ausserdem waren sie sich im Grundsatz einig: Wer viel hat, soll auch geben. Die Juso will das nun mit ihrer Initiative zur Pflicht machen: Gewinne aus Dividenden, Mietzinseinnahmen oder Börsengeschäften sollen besteuert werden. Das passiert heute nämlich nicht, hingegen wird das Arbeitseinkommen voll besteuert. Das stört die Sozialistinnen und Sozialisten. Konkret wollen sie, dass Kapitaleinkommen von über 100'000 Franken neu eineinhalbfach so hoch besteuert wird wie Löhne.

Gegen die Initiative traten in der «Arena» an: Mitte-Ständerätin Brigitte Häberli-Koller und SVP-Naionalrat Marcel Dettling. Die Befürworterinnen-Seite setzte sich aus der Gewerkschafterin Katharina Prelicz-Huber und der Juso-Präsidentin Ronja Jansen zusammen. Ausserdem vertrat Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl von der Zuschauerbank aus Bundesrat Ueli Maurer, der Brotz zufolge «keine Lust hatte, heute zu kommen.»

Ronja Jansen, Präsidentin der Jungsozialist*innen Schweiz (JUSO).

Ronja Jansen, Präsidentin der Jungsozialist*innen Schweiz (JUSO).

Gaetan Bally / KEYSTONE

Einer frischte die alte Leier auf

Worüber man sich in der «Arena» schlussendlich stritt war, ob eine Kapitalsteuer überhaupt gut ist. Und das ist ein alter Zopf. Vielleicht waren gerade deshalb die reiferen Semester der Studiogäste entspannt. Sie ratterten die absehbaren Argumente herunter: «Der Wirtschaftsstandort Schweiz wird gefährdet» versus «so gibt es mehr Gerechtigkeit für die einfachen Arbeiterinnen und Arbeiter, die ihren Lohn voll versteuern müssen.»

Gleich zu Beginn deutete Economiesuisse-Präsidentin Rühl das Vorhaben der Juso als «erneuten Angriff auf die Wirtschaft». Im Gegenzug brüskierte sich Ronja Jansen über die Bürgerlichen, sie würden «nur die Privilegien der Superreichen verteidigen wollen.» Die Sendung drohte bereits nach zehn Minuten langweilig zu werden.

Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung Economiesuisse.

Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung Economiesuisse.

Anthony Anex / KEYSTONE

Entsprechend erfrischend war der Auftritt von SVP-Nationalrat Marcel Dettling. Er scheint zum Stammgast der «Arena» zu werden: Letzte Woche trat er noch zum Thema Epidemiologie auf, nun gab er sein ökonomisches Wissen zum Besten. Zuerst führte er Argumente ins Feld, die dem FDP-Gusto entsprachen: «Mit dieser Initiative macht man KMUs kaputt und Familienbetriebe können nicht übertragen werden, weil es die Nachkommen nicht vermögen». Dies gesagt war es Zeit, dass der gestandene SVP-Mann zum Vorschein kam. In Richtung Juso-Chefin Jansen feuerte er:

«Ihr denkt, ihr könnt die Reichen anbinden und melken, wie ich meine Kühe melke. Aber den Kühen, die am meisten Milch geben, musst du am besten sorgen!»

Bevor Jansen sich wehren konnte, grätschte die Gewerkschafterin ins Gefecht. Kurz und knackig sagte Prelicz-Huber: «Wenn man die Schweiz mit der EU vergleicht, sind unsere Steuern so tief, dass es gar keinen anderen Stall zu benützen gibt, denn es wird nirgends günstiger.» Nun war Jansen dran. Sie verzichtete darauf, das Kuh-Gleichnis aufzunehmen und sagte stattdessen zu Dettling: «Das mit der unterschiedlichen Besteuerung haben nicht wir erfunden, das war die SVP!» Was wie eine Kritik klang, hätte eigentlich auch ein Kompliment sein können. Doch es verlor sogleich an Wirkung: Jansen kam mit einem Schwall an Argumenten, die sie zur Verteidigung ihrer Initiative aufführte.

Es soll nicht der letzte Angriff bleiben, den die Juso-Chefin an diesem Abend einstecken musste. Kaum holte sie Luft, liess Brotz einen jungen Herrn auf der Zuschauerbank zu Wort kommen, der die Juso-Chefin attackierte. Raphael Tobler, Präsident von «Swiss Startup Association», wollte über ein Grundsatzproblem sprechen: «Bevor wir zum Thema Startup kommen, möchte ich, dass wir uns vor Augen führen, dass diese Initiative von einer Linksradikalen kommt, die die Banken verstaatlichen will!» Aber jetzt war die Juso-Präsidentin bereit und reagierte souverän. Nachdem sie sich lächelnd einige Notizen gemacht hatte, sagte sie: «Es geht hier zum Glück nicht darum, ob man mich super findet oder nicht.»

Marcel Dettling, Landwirt und Nationalrat SVP.

Marcel Dettling, Landwirt und Nationalrat SVP.

Peter Klaunzer / KEYSTONE

Tobler startet danach nochmals zum Angriff. Jetzt klemmte ihn Moderator Brotz allerdings ab und wies ihn auf seine Spielwiese zurück: «Können wir jetzt bei den Startups bleiben? Danke!» Nach den strengen Worten des Moderators liess Tobler ein militärisch klingendes «Jawohl» verlauten und fing an, über das Thema zu sprechen, für das er auch eingeladen wurde. Er erklärte, dass Startup-Gründer ein grosses Risiko eingingen, denn oft scheitere man und dann sähe die Initiative auch nicht vor, dass der Staat zu Hilfe komme.

«Aber wenn ich mein Startup-Unternehmen mit Gewinn verkaufen kann, dann kommt der Staat und will die Hälfte des Geldes. Das ist einfach nicht fair.»

Viel mehr an neuen Argumenten kam dann nicht mehr dazu. Es war der alte Streit zwischen Linken und Bürgerlichen, ob Kühe davonlaufen, wenn man sie zu oft melken will. Monika Rühl von Economiesuisse wiederholte sich noch einige Male und betonte, die Juso-Initiative sei unklar und lasse zu viel Spielraum offen. Jansen tat es ihr gleich und räumte immer wieder ein, dass man nur auf das eine, reichste Prozent abziele. Die Anfangsfrage, was gerecht ist und was nicht, blieb unbeantwortet.