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Schweiz
Der Corona-Lockdown ist für Wirte teilweise aufgehoben. Heidi Hanselmann, Präsidentin der Gesundheitsdirektoren, findet das keine gute Idee.
Am 11. Mai dürfen Restaurants wieder öffnen, wenn sie gewisse Hygiene-Regeln einhalten. Pro Tisch können maximal vier Personen sitzen. Eltern mit Kindern dürfen diese Limite überschreiten. Auch Bars und Pubs dürfen wieder aufmachen. Allerdings müssen die Gäste Platz nehmen. Gesundheitsminister Alain Berset (SP) sagt am Mittwoch in Bern: «Wir machen am 11. Mai einen grossen Schritt in Richtung Normalität. Dieser Schritt braucht aber Geduld, Vorsicht und Disziplin.»
Der Bundesrat kommt mit dieser Lockerung, die nun schneller kommt, als zuvor angekündigt, den rund 20000 Gastronomiebetrieben in der Schweiz entgegen, die so Berset, «vor existenziellen Problemen stehen». Die Wirte sind froh. «Ich bin erleichtert», sagt Gastro-Suisse-Präsident Casimir Platzer. «Es ist mehr, als wir erwartet haben.» Die Gastronomen hatten damit gerechnet, dass nur zwei Personen pro Tisch zugelassen werden.
Wie stark die Wirte sich nach diesem Schritt gesehnt haben, konnte man am Mittwochmorgen noch auf dem Telefonbeantworter des Landgasthauses Strauss in Meierskappel LU hören: «Der Bundesrat schreibt uns leider weiterhin vor, das Restaurant geschlossen zu haben.» Nun freut sich Wirt Ruedi Stöckli darauf, seine Gartenterrasse zu öffnen. Die Freude wird aber durch weiterhin geltende Beschränkungen getrübt. Bankette zu Anlässen wie Geburtstag oder Konfirmation sind weiterhin nicht möglich. Stöckli, der dem Luzerner Gastroverband vorsteht, wird nun auf die Betriebsferien im Sommer verzichten und das Restaurant offen halten. «Das sind wir unseren Gästen schuldig», sagt er. Die Personalpläne hat er angepasst und wird weiterhin für einen Teil Kurzarbeit anmelden. Wie Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) in Bern sagte, ist dies trotz der Teilöffnung weiterhin möglich.
Auch der Zürcher Gastro-Unternehmer Koni Frei ist erleichtert über den Beschluss des Bundesrates. Er ist im Zürcher Langstrassenquartier an verschiedenen Bars und Kaffees beteiligt.
In der «Sport»-Bar holten sich die Gäste bisher ihr Bier oder ihren Gin Tonic an der Theke und tranken ihren Espresso auch einmal im Stehen. Frei und seine Partner müssen nun mehr Tische aufstellen, um die Auflagen des Bundes einhalten zu können. «Wir machen auf, auch als Zeichen an unsere Stammgäste», sagt Frei. Ihm ist aber wichtig, dass nun nicht der Eindruck entsteht, es seien alle Problem gelöst. «Gerade für kleinere Betriebe bleiben die Mieten ein Riesenproblem. Die Bars erwirtschaften nun vielleicht noch einen Viertel des Umsatzes, müssen aber die volle Miete bezahlen», sagt Frei. Er geht davon aus, dass einige kleine Betriebe der Coronakrise zum Opfer fallen werden.
Der Bundesrat hat den Gastronomen empfohlen, mit den Vermietern eine Lösung zu finden. Damit hatten die Wirte bisher aber kaum Erfolg. «Von unseren Mitgliedern weiss ich, dass das in 90 Prozent der Fälle nicht funktioniert hat. Und auch in den zehn Prozent, wo es Reduktionen gab, fallen diese sehr bescheiden aus», sagt Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer. Er setzt nun auf das Parlament, dass nächste Woche zu einer Sondersession zusammenkommt.
Der Gewerkschaftsdachverband Travail-Suisse begrüsst die Lockerungen in der Gastronomie. In Stellungnahme plädiert Travail-Suisse dafür, nicht allein auf die Eigenverantwortung der Arbeitgeber abzustellen. «Intensive behördliche Kontrollen werden nötig sein, insbesondere um die Arbeitnehmenden der Gastrobranche von unrealistischen gesundheitspolizeilichen Aufgaben zu befreien», lässt sich Travail-Suisse-Präsident Adrian Wüthrich zitieren. Bei der Konkretisierung des Schutzkonzeptes seien zudem die Angestellten zwingend einzubeziehen.
Während unter den Wirtschaftsverbänden seltene Einigkeit herrscht, erklingt ein Zwischenruf von den kantonalen Gesundheitsdirektoren.
Heidi Hanselmann (SP), Präsidentin der Gesundheitsdirektorenkonferenz und St. Galler Regierungspräsidentin, hätte sich eine vorsichtigere Öffnung gewünscht. Sie sagt auf Anfrage:
Dass man nun am 11. Mai zu viert am Tisch sitzen darf, werten wir als kritisch. Zu zweit wäre ein Mittelweg gewesen
Sie äussert Verständnis für die Wirte, die unter hohem wirtschaftlichem Drucke stehen, befürchtet aber ein erneutes starkes Ansteigen der Infektionen. So könne der Nährboden für eine zweite Welle entstehen. «Der Preis für ein überhastetes Vorgehen dürfte dann weit schwerer wiegen», sagt Hanselmann. «Wir sollten nicht leichtfertig das preisgeben, was wir über Wochen mit schmerzhaften Einschränkungen mit Erfolg erreicht haben.»
Jetzt gelte es umso mehr die Hygiene- und Abstandsmassnahmen konsequent einzuhalten. Dazu seien laut Hanselmann auch Kontrollen in den Restaurants nötig.