AHV-Reform
Rentner sollen ihr Profiteur-Image loswerden – mit Hilfe ihrer Enkel

Im Hinblick auf die Altersreform soll eine Studie Rentner vom Stigma der Kostenverursacher befreien.

Anna Wanner
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100 Millionen Stunden Betreuungsarbeit: Grossmutter hilft Enkel beim Schnitzen eines Räbeliechtlis. Gaëtan Bally / Keystone

100 Millionen Stunden Betreuungsarbeit: Grossmutter hilft Enkel beim Schnitzen eines Räbeliechtlis. Gaëtan Bally / Keystone

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Ist die Rede von notwendigen Massnahmen zum Gelingen der Rentenreform, ist zwangsläufig auch die Rede von «Verlierern». Da die Gesellschaft altert, muss von den Erwerbstätigen ein Zusatzeffort geleistet werden, um auch in Zukunft jedem einen würdigen Lebensabend zu ermöglichen. Nur: Wer opfert sich dafür auf? Die Wirtschaft warnt vor zusätzlichen Belastungen für Unternehmen.

Die Zeitungen «Tages-Anzeiger»/«Der Bund» haben berichtet, dass die Jungen, also die 21- bis 25-Jährigen, die Verlierer der Reform sein würden: Sie müssten verhältnismässig am meisten Lohn zur Sicherung der Renten abgeben. «Am wenigsten trifft es die über 55-Jährigen und die Rentner», kommt der Autor der Zeitung zum Schluss. Die Rentner, erhält man den Eindruck, gehen als Gewinner hervor, als Profiteure und als Brecher des Generationenvertrags.

5 Milliarden Franken gespart

Die Basler Nationalrätin Silvia Schenker (SP) will die Rentner von diesem Etikett befreien. Sie will das Engagement der Grosseltern ins Licht der Öffentlichkeit rücken und hat dazu einen Vorstoss formuliert. «Gerade jetzt, wo die Rentenreform 2020 in Arbeit und die finanziellen Konsequenzen dieser Reform öffentlich diskutiert werden, sollte ein anderes Thema auch mehr Öffentlichkeit erhalten.» So leisteten Grosseltern gemäss Schätzungen Betreuungsarbeit im Umfang von 100 Millionen Stunden im Jahr.

Zwar gibt es über die grosselterliche Kinderbetreuung keine offiziellen Zahlen – Schenker bezieht sich auf Schätzungen des Basler Büros für Arbeits- und Sozialpolitische Studien (BASS). Trotzdem lohnt es sich, die Bedeutung der Schätzung zu überdenken: Grosseltern investieren gut 12,5 Millionen Arbeitstage in Kinderbetreuung. Verrechnet man dafür den Kostenansatz einer Kindertagesstätte (Kita) werden jährlich 4,8 Milliarden Franken an Betreuungsgeldern gespart – das entspricht in etwa dem Armeebudget.

Die Stütze junger Familien

Schenker geht es aber nicht in erster Linie ums Finanzielle, sondern um Anerkennung und Wertschätzung des Engagements der Grosseltern, wie sie in ihrem Vorstoss schreibt. «Damit die älteren Menschen nicht nur als Kostenverursacher wahrgenommen werden, ist es wichtig, dass der Umfang und der Gegenwert der Grosselternarbeit zur Kenntnis genommen werden.» Entsprechend verlangt sie vom Bundesrat, dass dieser den Zahlen nachgeht und einen Bericht über die gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Grosselternarbeit verfasst. Für Schenker ist bereits heute klar: «Durch diese Arbeit wird es jungen Familien erst möglich oder zumindest erleichtert, dass beide Elternteile einer Erwerbsarbeit nachgehen können.»

Die Zahl der Grosseltern sinkt

Dass ein hoher Bedarf an externer Kinderbetreuung besteht, belegen die Zahlen: Vier von fünf Alleinerziehenden sind auf ergänzende Betreuung angewiesen. Bei Paaren mit Kindern greift rund die Hälfte auf Hilfe von Freunden oder Fremden zurück. Gemäss Bundesamt für Statistik wurden im Jahr 2013 60 Prozent der 0- bis 12-jährigen Kinder ausserfamiliär betreut – etwa ein Drittel davon beansprucht institutionelle Betreuung wie Krippen, Tagesstrukturen oder Tagesmütter. Damit bleibt in der Schweiz die nicht-institutionelle Betreuung durch Nannys, Nachbarn oder eben Eltern die wichtigste Art.

Zumindest vorerst. Die Zahlen zeigen auch, dass Grosseltern seltener auf ihre Enkel aufpassen als noch vor elf Jahren. Gemäss BASS-Studie hängt das damit zusammen, dass der Anteil an Grosseltern an älteren Menschen sinkt: Es gibt mehr kinderlose Frauen. Ältere Personen haben also seltener die Chance, Enkel zu hüten, weil sie selbst oder ihre Kinder gar keinen Nachwuchs haben.