Ein Kader der rechtsextremen Kleinstpartei Pnos leitet eine lokale Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV im Zürcher Oberland. Seine Kollegen wussten von nichts.
Für Raphael Rotzer ist das Jahr 2017 bislang ein Jahr des Anfangs. Am 25. Februar übernahm der Busfahrer der Verkehrsbetriebe Zürichsee und Oberland das Präsidium der lokalen Sektion der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV.
Die rund fünfzig Personen, die sich im Restaurant Adler in Grüningen zur Generalversammlung eingefunden hatten, waren froh, dass der 32-Jährige sich zur Verfügung stellte. Nach dem kurzfristigen Rückzug eines anderen Kandidaten blieb nur er zur Wahl. So schildert es Urs Franzi, Busfahrerkollege und Kassier der Gewerkschaftssektion, auf Anfrage. Rotzer wurde still gewählt.
Was laut Kassier Franzi im Restaurant Adler niemand ahnte: Raphael Rotzer ist ein Rechtsradikaler. Er ist Mitglied der Partei national orientierter Schweizer (Pnos). Die Minipartei will die Schweiz nach völkisch-nationalistischen Massstäben umgestalten und lehnt sich in Programmatik und Ästhetik an die Frontenbewegung der 1930er-Jahre an.
Die Fronten waren eine Schweizer Version der faschistischen Bewegung. Mitglieder der Pnos werden regelmässig wegen rassistischer Äusserungen verurteilt. In ihrem Umfeld tummeln sich gewaltbereite Neonazis.
Busfahrer Rotzer ist in der Pnos alles andere als ein Mitläufer. Letzte Woche teilte die Partei mit, Rotzer sei nun Vizepräsident der neulancierten Zürcher Sektion. Der Kleinstpartei ist es bisher nicht gelungen, in Zürich Fuss zu fassen.
Nächster Schritt sei «die Installierung von fähigem Personal», so die Partei. Gewerkschafter Rotzer soll es richten. Vom offiziellen Bild lächelt er mit Glatze und Krawatte. Neben ihm steht die ebenfalls neu erkorene Präsidentin Jasmin Maeder.
Aufgefallen ist die unorthodoxe Ämterakkumulation des Herrn Rotzer dem Online-Magazin «ajour-mag.ch». Während er für diese Zeitung gestern nicht erreichbar war, gab er dem «autonomen Magazin» Auskunft. Er habe seine Pnos-Mitgliedschaft «nicht gross rumerzählt», wird er zitiert. Zur Frage, ob Rotzer seine politischen Ansichten in die Gewerkschaft einbringen wolle, wirkt Rotzer widersprüchlich.
Zunächst sagt er, er wolle sich politisch zurückhalten. Die Sektion habe andere Sorgen. Dann wiederum sagt er, wie im SEV gehe es auch in der Pnos darum, «Leute zu unterstützen». Und er kritisiert die Arbeit seines Vorgängers. Passivität habe in der Sektion zu Langweile und Mitgliederschwund geführt.
Dass Rotzer noch Gelegenheit haben wird, die Gewerkschaftsarbeit wieder spannender zu gestalten, ist unwahrscheinlich. Die nationale Organisation der Gewerkschaft für Verkehrspersonal SEV distanziert sich auf Anfrage von ihrem Zürcher-Oberländer Sektionspräsidenten.
«Für uns ist die Situation unhaltbar», sagt Vizepräsidentin Barbara Spalinger. «Es verträgt sich nicht mit unseren Werten, wenn ein SEV-Sektionspräsident gleichzeitig ein Funktionär der Pnos ist. Deren Werte stehen im krassen Gegensatz zu den unseren. Wir setzen uns gegen die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Glaubens ein, wohingegen die Pnos eine multikulturelle Gesellschaft als pervers ansieht.
Spalinger sagt, es habe in ihrer Gewerkschaft zwar Platz für verschiedene Meinungen, rechtsextreme Haltungen würden aber nicht geduldet.
Von Rotzers Pnos-Mitgliedschaft wusste auch die SEV-Führung bisher nichts, sagt Spalinger: «Und noch weniger, dass er eine Führungsposition hat.» Wie der SEV die Situation bewältigt, konnte Spalinger aber nicht konkret sagen. «Jetzt sind wir daran zu überlegen, welche Konsequenzen wir ziehen müssen», sagt sie.
In Rotzers lokaler Sektion soll an der nächsten Sitzung über seine parteipolitischen Vorlieben diskutiert werden. Mehr habe man beim besten Willen noch nicht unternehmen können, sagt Busfahrer und Gewerkschaftskassier Urs Franzi: «Ich habe das Wochenende im Schichtbetrieb durchgearbeitet.» Zudem weile ein Teil des Vorstandes gerade in den Ferien.