Sie können in zweierlei Gestalt daherkommen, die Peiniger der Arbeitnehmer: Entweder sind sie dysfunktional oder dann richtig übel.
Man spricht viel von Dingen, welche zur Seelenruhe beitragen. In der antiken Philosophie pflegte man Hymnen anzustimmen auf die Ataraxia, die Unbeweglichkeit. Und meinte damit die Eigenschaft, dass einen nichts erschüttern könne. Leider war das eher eine Definition, denn ein probates Mittel, und der Rat, man möge doch seine Seele zur Unerschütterlichkeit erziehen, ist nicht viel mehr als das und trägt kaum zur Lösung des Problems bei. Leider.
Die Hinwendung zu höheren Mächten empfahl dann vor allem das Christentum. Vielen war damals der Märtyrertod vorherbestimmt und das eigene Schicksal als ein von fremden – allerdings schliesslich wohlmeinenden – Mächten gelenkt zu sehen, half sicher dabei, den zu überstehen.
Beide Empfehlungen, die der antiken Philosophie (obwohl heute noch Wirtschaftsführern in übersichtlichen Dosen verkauft – «Seneca für Manager») und die des Christentums («Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst.» – so hören wir in der Matthäus-Passion) scheinen heute etwas überholt und nicht mehr ganz von dieser Welt.
Was die Neuzeit gemacht hat, war von anderer Art. Man begegnet der Unübersichtlichkeit der Welt mit Taxonomie. Was gut eingeteilt ist, ist halb verstanden und macht fast keine Angst mehr. Das Unternehmen ist zwar riskant (die Meeresungeheuer wurden eingeteilt in solche mit Fell und solche ohne Fell – und weil es die mit Fell ganz offensichtlich nicht gab, war die Gefahr schon nur noch halb so gross), aber in vielen Lebensbereichen unglaublich erfolgreich. Linnäus hiess der Gelehrte, dessen «L.» wir heute noch bei Pflanzen- und Tiernamen antreffen, der das System perfektionierte.
So ist nicht überraschend, dass auch die Experten des Organizational Behavior («Organisatorisches Verhalten» übersetzt Google, aber wir ahnen, dass es um anderes geht) jetzt darauf verfallen. Sie empfehlen, um Stress am Arbeitsplatz in Grenzen zu halten, die Plagen des Arbeitsplatzes, die Bosse, erst einmal einzuteilen. Die guten Chefs werden natürlich nicht erwähnt, die machen auch keine Probleme. Für die üblen gibt Seth M. Spain, Assistenzprofessor an der Binghampton Universität (New York), zwei Kategorien vor: «Dysfunktional» oder «dark» (die englischen Bezeichnungen werden hier beibehalten, weil sie leicht verständlich sind und so schön alliterieren). «Dysfunktional» sind solche Bosse, die es einfach nicht können. «Sie wollen dir nicht wehtun», sagt Spain, «es fehlt ihnen einfach ein bisschen am nötigen Geschick oder sie haben andere persönlichen Defekte. Schlicht: Sie sind einfach nicht so gut in ihrem Job.» Also ähnlich wie böse Hunde, die auch «nichts machen».
«Dark bosses», also richtig üble Bosse hingegen, zeigen destruktives Verhalten. Sie wollen andere heruntermachen, um sich selbst zu erhöhen. Für sie hat Spain drei Unterkategorien bereit: «The Dark Triad» – die schwarze Dreifalt. Klingt schlimmer, als es ist, denn wie dünkt uns alles so bekannt: «Machiavellianismus, Narzissmus und Psychopathie». (Hier alliteriert nichts – ein richtig übles Vorzeichen.)
Gemein ist den Bossen, die darunter – nein, eher nicht leiden: «Das sind Menschen, welche es geniessen, wenn andere leiden», sagt Spain von ihnen. Und sie sind dann auch voll bewusst und absichtlich gemein, ausfallend und eklig. Die Taxonomie schaut gut aus, leider ist die Realität einmal mehr etwas komplizierter. «Natürlich gibt es graduelle Unterschiede im Verhalten», sagt Assistenzprofessor Spain, «jeder ist ja manchmal ein bisschen so».
Klar ist aber, dass üble Bosse, seien sie lediglich dysfunktional oder richtig übel (also «dark»), dass sie ihren Untergebenen tüchtig Stress machen können. «Ein direkter Vorgesetzter ist wie eine Linse, durch die ein Angestellter seine Arbeitserfahrung sieht.» Damit hat Spain recht, ein unbrauchbarer Chef kann die schönste Arbeit zur Hölle machen. Aber mit dieser Taxonomie haben die Arbeitnehmer etwas in der Hand, mit dem sie den ersten Schritt machen können, um ihre Bosse in die richtige Richtung zu lenken. «Du Machiavellist!» oder «Sie Narzisst!» oder einfach «Psychopath!» – zur richtigen Zeit ist mehr als eine Diagnose.