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Psychologe zum Tötungsdelikt in Frankfurt: «Diese Tat hätte auch ein Schweizer verüben können»

Zwei Tage nach dem Tod eines achtjährigen Jungen im Frankfurter Hauptbahnhof bleibt die Tat eines Eritreers unfassbar. Ein Psychologe und ein langjähriger Gerichtsreporter sind sich einig: Mit der Nationalität hat sie nichts zu tun.

Mark Walther
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Was verleitet einen Mann dazu, drei Menschen vor einen fahrenden Zug zu stossen? Auf diese Frage hat Thomas Steiner, Fachpsychologe für Psychotherapie, keine Antwort. «Was da genau abgelaufen ist, ist nicht wirklich zu eruieren», sagt er in der Sendung Talk Täglich auf «Tele Züri». Festhalten liesse sich aber:

«Jemand, der eine solche Tat begeht, ist nicht mehr Teil unserer Welt.»

Mit Integration habe das Tötungsdelikt indes nichts zu tun. «Diese Tat hätte auch ein Schweizer verüben können», sagt Steiner. Eine Verbindung zu Eritrea sieht er nur indirekt: Der Mann könne aus einer Kriegssituation eine unbewusste Vorbelastung entwickelt haben, die später in einem Ausnahmezustand verschlimmernd wirken könne. Mit der sogenannten Willkommenskultur habe der Fall aber nichts zu tun. Der heute 40-jährige Eritreer kam 2006 in die Schweiz. Seit 2011 verfügt er über die Niederlassungsbewilligung der Kategorie C.

Verbrechen erklären, aber nicht entschuldigen

Viktor Dammann berichtet seit über 40 Jahren über Gerichts- und Polizeifälle für den «Blick». Er stimmt Steiner zu: Die Tat hat nichts mit der Nationalität des Beschuldigten zu tun. Es gehe nun darum, das Verbrechen zu erklären, aber nicht zu entschuldigen. Wobei Erklärungen derzeit schwierig zu finden seien, denn die Ermittlungen stünden noch ganz am Anfang.

Der Täter war der Polizei bekannt, seit er am Donnerstag in Wädenswil seine Frau und die drei Kinder in der Wohnung einschloss und eine Nachbarin bedrohte. Danach flüchtete er. Die Polizei verzichtete auf eine Öffentlichkeitsfahndung. Dammann findet diesen Entscheid korrekt:

«Es gibt wahnsinnig viele Fälle von häuslicher Gewalt. Wenn es jedes Mal eine Öffentlichkeitsfahndung gäbe, würde das bei der Bevölkerung irgendwann nicht mehr ankommen. Im Nachhinein ist man aber immer schlauer.»

Dammannn vertritt auch die Ansicht, dass schärfere Sicherheitsvorkehrungen an Bahnhöfen nicht notwendig sind:

«Solche Delikte kann man nicht verhindern. Sonst bräuchte man hinter jedem Menschen einen zweiten, der auf ihn aufpasst.»

Der Eritreer stiess am Montag eine Frau und deren achtjährigen Sohn vor einen einfahrenden ICE im Frankfurter Hauptbahnhof. Der Bub kam ums Leben, die Mutter konnte sich retten. Eine weitere Frau konnte sich in Sicherheit bringen und erlitt eine Schulterverletzung. Erst am 20. Juli wurde im Bahnhof der nordrhein-westfälischen Stadt Voerde eine 34 Jahre alte Mutter vor einen Regionalzug gestossen und getötet. Der 28-jährige Tatverdächtige wird des Mordes verdächtigt und sitzt in Untersuchungshaft.

Ob es sich beim Eritreer um einen Nachahmungstäter handelt, ist unklar. Diese Gefahr ist laut Steiner aber real; es gebe immer wieder Nachahmungstäter: «Sie lesen von einem Delikt und finden, auch sie könnten ihre Notlage so zur Darstellung bringen.»

Am Dienstagabend fand vor dem Frankfurter Bahnhof eine Andacht statt, der rund 400 Menschen beiwohnten. Der Tod des Kindes sei für die Angehörigen eine «sinnlose Katastrophe», sagte der Leiter der Frankfurter Bahnhofsmission. Er lud die Trauernden ein, sich in ein Kondolenzbuch einzutragen. Zunächst war geplant, die Andacht in der Bahnhofshalle abzuhalten, wegen des erwarteten grossen Andrangs wurde sie aber auf den Vorplatz verlegt. Nach dem Gottesdienst hielten verschiedene politische Gruppen zwei Mahnwachen ab. Es kam zu hitzigen Diskussionen, die Polizei stellte sich jedoch dazwischen.

Mit Material der Nachrichtenagentur sda

Den «Talk Täglich» in voller Länge sehen Sie hier