Vertreter aus Politik und Wirtschaft bringen der Bevölkerung die Chancen und Risiken der Digitalisierung näher. Denn diese wird Umwälzungen mit sich bringen.
Die Digitalisierung – also die Durchdringung sämtlicher Lebensbereiche durch Computersysteme – sollte unseren Alltag ja vereinfachen. Und man hört gemeinhin, dass wir mitten in der «industriellen Revolution 4.0» stecken. Am Dienstagmorgen, auf Gleis 7 im Bahnhof Bern, fühlte man sich deshalb in ferne Urzeiten zurückgeworfen. Um 8.32 Uhr hätte der Sonderzug abfahren sollen. Bis er loslegt, wird es aber fast 9 Uhr. Grund dafür ist nicht etwa eine Computerpanne, sondern eine blockierte Tür. Da kann die Digitalisierung noch so fortgeschritten sein – effizient funktionieren kann sie nur, wenn auch die immer noch vorhandene analoge Technik mitspielt.
Der Zug bringt die rund 100 Gäste aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Medien in den Zürcher Hauptbahnhof, wo der Digitaltag eröffnet werden soll. Es ist eine in dieser Form noch nie da gewesene Veranstaltung: Neunzig Unternehmen und Institutionen aus der Wissenschaft haben ihn ins Leben gerufen und sich zumZiel gesetzt, der Bevölkerung die Chancen und Risiken der Digitalisierung näherzubringen.
Denn dass die Umwälzungen auch Ängste auslösen, ist unbestritten. Sind meine persönlichen Daten sicher? Komme ich mit den stets neuen Geräten und Anwendungen zurecht? Und vor allem: Gibt es meinen Job in zwanzig Jahren noch oder werde ich wegrationalisiert? Solche und ähnliche Fragen hat sich jeder schon gestellt.
Im eigens eingerichteten «Digitalwagen» des Sonderzugs, wo einem der Roboter das Gipfeli ausliefert, versucht Bundespräsidentin Doris Leuthard zu beschwichtigen. «Die grösste Angst herrscht auf dem Arbeitsmarkt. Wir müssen diese Sorgen ernst nehmen und uns fragen, was die Rolle der Unternehmen und des Staates ist», sagt sie. Die Berufsfelder änderten sich, aber Arbeit werde es auch künftig noch geben. «Bei jedem industriellen Entwicklungsschritt gab es diese Befürchtungen und wir sind jedes Mal gut daraus herausgekommen», sagt sie.
In Zürich angekommen, macht sich der Tross auf in die Haupthalle, wo die bemitleidenswerten Moderatoren die wartenden Leute bei Laune halten mussten. Mit viel Brimborium, es «tanzen» zum Beispiel Drohnen auf der Bühne, fällt der Startschuss zum «Digital Day 2017». Auch wenn wohl längst nicht alle Zuschauer ihre Teilnahme geplant hatten – die mächtige Halle ist erstaunlich gut gefüllt. An den zahlreichen Ständen, wo Behörden und Firmen ihre digitalen Lösungen propagieren, kommen die Besucher auf ihre Kosten. Mittels Maske kann man in die virtuelle Realität abtauchen. Und Roboter «Alfred» fragt zurück, welchen Stil man bevorzuge, wenn man ihn zum Tanzen auffordert.
Auf der Bühne und im angrenzenden Restaurant tauschen sich derweil allerlei Experten über die neue digitale Welt aus. Je nach Gesprächspartner und Werbung für den Anlass hält sich die Begeisterung in Grenzen, beim Live-Gespräch mit Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann sitzt kein Dutzend Zuhörer im Publikum. Dabei gäbe es durchaus interessante Gespräche – auch in Bezug auf die Herausforderungen, welche die Digitalisierung für die direkte Demokratie mit sich bringt. Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne/ ZH) fordert etwa, dass man nicht nur eine digitale Abbildung des Bestehenden konzipiert, sondern neue Potenziale – sprich: mehr Teilnahme am demokratischen Geschehen – erschliesst. «Alle, die von einem Vorhaben betroffen sind, sollen mitbestimmen dürfen», sagt Glättli. Denkbar wären etwa breiter zugängliche Vernehmlassungen oder die Zulassung von digitalen Unterschriften für Initiativen oder Referenden.
Bundespräsidentin Leuthard will sich der Diskussion nicht verschliessen. «Mehr Partizipation wäre wünschenswert. Aber man muss schon auch sehen: Eine Abstimmung ist nicht einfach eine Umfrage», sagt sie. Digitale Lösungen, die auch sicher sind, seien derzeit «noch nicht reif».