Die Piratenpartei Schweiz hisst am Sonntag die Segel. Sie will unter anderem für mehr Freiheiten im Internet kämpfen. Junge Politiker von Links und Rechts finden das gut.
Nicole Emmenegger
Moderne Piraten kämpfen nicht mit Säbel und Enterhaken, sondern mit den Waffen des Internets: Auf der Internetplattform «Facebook» hat der Kern der künftigen Schweizer Piratenpartei inzwischen rund 2300 zumeist junge Anhänger hinter sich geschart. Am 12. Juli wird die Partei an der Gründungsversammlung in Zürich in die raue See der Schweizer Politik stechen.
Ebenfalls auf dem Internet - nämlich auf der Seite wiki.piraten-partei.ch - zeigen die Piraten, mit welchen politischen Kräften sie künftig gemeinsame Anliegen verfechten könnten. Die Allianz erstaunt auf den ersten Blick: Die Jungsozialisten (Juso) und die Junge SVP werden dort als «Organisationen mit ähnlichen Zielen» aufgeführt.
Gegen Überwachungsstaat
Das konkrete Parteiprogramm müssen die Piraten noch definieren, bei der politischen Fahrtrichtung hält sich die Gruppe derzeit an die Themen der bereits bestehenden Piratenparteien in Europa (vgl. Box). Dies sind zum Beispiel:
Kampf gegen einen Überwachungsstaat, der systematisch sensible Daten von normalen Bürgern erfasst - in der Schweiz beispielsweise im Zusammenhang mit dem biometrischen Pass
Kampf gegen Patente etwa im Software-Bereich
Kampf für eine Lockerung des Urheberrechts.
Wie viele andere Piraten will Partei-Mitbegründer Philipp Kopf aus Rapperswil-Jona (ZH) erreichen, dass es in der Schweiz legal wird, auf Internetplattformen Musik oder Filme für den kostenlosen Eigengebrauch zu tauschen. Die Tendenz in der Politik, mit Verboten gegen die Möglichkeiten von Internet und von Software vorzugehen, würden von einer «technischen Unbeholfenheit» im Parlament und in der Regierung zeugen, sagt Kopf, der als Informatiker tätig ist.
Die erste Piratenpartei wurde 2006 in Schweden gegründet. Der weltweit beachtete Prozess von Vertretern der Musik- und Filmindustrie gegen die beliebte Internettauschbörse «Pirate Bay» brachte der schwedischen Piratenpartei gemäss «Spiegel online» im April dieses Jahres Tausende neue Mitglieder. Bei der Europawahl im Juni holte sich die Partei mit über sieben Prozent Stimmenanteil gar einen Sitz im Parlament. Piratenparteien gibt es inzwischen auch in Deutschland, Frankreich, Polen oder Spanien.
Mit ihren Plänen bringen die Piraten Schweizer Jungpolitiker verschiedener Couleur ins gleiche Boot. So lobt SVP-Nationalrat Lukas Reimann (SG) in einem aktuellen Internetbeitrag die «Freiheits-piraten», wie die Zeitung «Der Sonntag» berichtet. Gegenüber der MZ sagt er: «Es gibt definitiv einen Generationengraben im Parlament.» Viele Politiker hätten keine Ahnung vom Internet oder von MP3-Playern und würden sich aus diesem Grund oft für unangemessene Regulierungen aussprechen.
Juso-Chef und SP-Vizepräsident Cédric Wermuth hat gemäss der Gratiszeitung «20 Minuten» bereits im Juni angekündigt, er werde am Gründungstreffen der Piratenpartei Schweiz teilnehmen. Er wolle die Leute und ihre Ideen vor Ort kennen lernen und Kontakte knüpfen, sagt er gegenüber der MZ. Und: Er gehe davon aus, dass sich einige Piraten für eine Juso-Mitgliedschaft interessieren könnten. Den politischen Frust der Internetgeneration verstehe er: «Die meisten Parlamentarier sind nicht mit Computer und Internet aufgewachsen. Ihre Ängste vor den neuen Medien sind oft übertrieben, sie überschätzen ihre Wirkung.»
Kein Verbot von Killerspielen
So setzen sich denn sowohl Reimann als auch Wermuth für die neuen Medien ein: Beide sind gegen ein Verbot von Computer-Killerspielen. Cédric Wermuth hatte sich mit dieser Haltung im Frühling öffentlich gegen Parteikollege Roland Näf gestellt. Der Berner SP-Grossrat ist prominenter Vorkämpfer für ein Verbot. Lukas Reimann betont zwar, er finde Killerspiele nicht gut, ein Verbot könne aber im Internet allzu leicht umgangen werden.
Für Gratismusik
Auch in Bezug auf die kostenlosen Musik-Tauschbörsen auf dem Internet sind sich die politischen Kontrahenten einig. Die meisten Jugendlichen würden ihre Musik lieber vom Internet runterladen, als eine CD zu kaufen. Das neue Schweizer Urheberrechtsgesetz, das ein rechtliches Vorgehen gegen Anbieter von Musik oder Filmen auf den beliebten Online-Tauschbörsen ermögliche, sei nicht im Interesse der Jugendlichen, sagt Cédric Wermuth. Lukas Reimann ergänzt: «Man sollte diese Leute nicht kriminalisieren.» Mitleid mit der Musikbranche, der durch die Online-Piraterie Einnahmen entgehen, haben beide Jungpolitiker nicht. «Die Musikindustrie ist zu wenig flexibel, sonst würde sie das Internet zu ihren Gunsten nutzen», findet der Juso-Chef.
SVP: Facebook-Kurs
Die SVP reagiert gelassen darauf, dass Lukas Reimann gemeinsam mit Cédric Wermuth die Werbetrommel für die Piratenpartei rührt. «Wir sind froh, dass junge SVP-Politiker Themen wie den Umgang mit neuen Medien puschen. Damit mobilisieren sie junge Wähler», sagt die stellvertretende SVP-Generalsekretärin Silvia Bär. Bei der SVP sei man übrigens im Umgang mit neuen Medien durchaus à jour . Kürzlich habe es in der Westschweiz eine Schulung für 40 SVP-Politiker zum Thema «Umgang mit Facebook» gegeben - unter den Teilnehmern hätten sich nicht nur junge SVP-Vertreter befunden.