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Damit Gemeinden nicht führungslos werden, veranstalten einzelne bereits Motivationsveranstaltungen. Andere versuchen die verwaisten Ämter mit Hilfe eines Stelleninserats zu besetzen. Auch der Schweizerische Gemeindevarband handelt jetzt.
Tobel-Tägerschen ist eine 1400-Seelen-Gemeinde im Kanton Thurgau. Wer einen kleinen Rundgang durch das Dorf unternimmt, sieht schmucke Fachwerkhäuser und gepflegte Gärten. Trotzdem ist Tobel-Tägerschen nicht sonderlich attraktiv: Die Gemeinde sucht einen neuen Ammann – per Stelleninserat.
Auch Lutzenberg im Kanton Appenzell Ausserrhoden, Wassen im Kanton Uri und Full-Reuenthal im Kanton Aargau sind auf der Suche – und das sind nur ein paar Beispiele. Es ist schwieriger geworden, Einwohner für solche Aufgaben zu finden. Ulrich König, Direktor des Schweizerischen Gemeindeverbands, nennt die Gründe: «Die Komplexität der Themen, aber auch der Aufwand für diese Ämter haben sich vergrössert. Das hält immer mehr Personen davon ab, sich für ein solches Amt zur Verfügung zu stellen.» Hinzu komme, dass sich die Wirtschaft – das Management von Unternehmen – auf kommunaler Ebene grundsätzlich verabschiedet habe.
Parteien in der Pflicht
Einzelne Gemeinden haben bereits die Notbremse gezogen. Die Berner Gemeinde Kappelen mit 1300 Einwohnern veranstaltete letzte Woche einen Anlass, um die politische Zukunft des Dorfes zu diskutieren. Ende 2014 müssen zwei Gemeinderäte wegen Amtszeitbeschränkung zurücktreten. Bereits jetzt sucht die Gemeinde den Kontakt zu den Parteien, damit diese Kandidaten suchen.
Wie Gemeindeschreiber Thomas Buchser betont, würden die Parteien oft genug jammern, dass die Suche harzig verläuft. Die Gemeinde hat zudem diskutiert, wie sie die Ämter attraktiver gestalten könne – sei es über mehr Kompetenzen oder mehr Geld. Andere Gemeinden wie beispielsweise Kradolf-Schönenberg im Kanton Thurgau haben eine Findungskommission gebildet. Diese hat den Auftrag, einen Ersatz für eine abtretende Gemeinderätin in der Gemeinde selber zu finden.
Der Gemeindepräsident als CEO
Den Handlungsbedarf erkannt hat auch der Schweizerische Gemeindeverband. Er lanciert am 1. November das Projekt «Führen der Gemeinde im Milizprinzip». «Das Projekt soll die Bevölkerung für ein Engagement in der Gemeinde sensibilisieren», sagt Ulrich König vom Schweizerischen Gemeindeverband. Auf einer Plattform soll aufgezeigt werden, wie notwendig diese Arbeit in der Gemeinde ist. «Wir wollen aber auch beweisen, dass ein Engagement Spass macht», so König. Die Möglichkeit, sich auf kommunaler Ebene einbringen zu können, sei zudem weltweit einzigartig.
Als zweiten Schritt möchte der Verband ein webbasiertes Lehrmittel entwickeln, das sich dem Thema «Führen der Gemeinde im Milizprinzip» widmet. So soll es möglich werden, dass sich ein angehender Gemeindeammann von zu Hause aus weiterbilden kann. «Es braucht Führungskompetenz in der Gemeindeverwaltung», begründet König. Bezüglich der Finanzierung sind aber noch einige Fragen offen.
Die Probleme bei der Rekrutierung von genügend Funktionären haben in vielen Gemeinden und Kantonen zu Fusionsdiskussionen geführt. Der Kanton Glarus entschied sich 2006 dazu, den Schritt zu wagen. Gleich 25 Gemeinden und 75 Körperschaften liess er zusammenlegen. Seit 2010 gibt es dort noch drei Einheitsgemeinden. Seither ist es kein Problem mehr, Amtsträger zu finden. Ein anderes Modell ist im Kanton Luzern aufgekommen. Dort beauftragen mehrere Gemeinden einen Geschäftsführer für die Verwaltung.
Dieses CEO-Modell hat beispielsweise die Gemeinde Eich im Kanton Luzern. Für Verbandsdirektor Ulrich König ist dies eine zukunftsträchtige Idee. «Man muss so nicht unbedingt Gemeinden politisch fusionieren, um gemeinsam eine Verwaltung zu führen.»