Vor der Wahl schrieb der Zürcher SVPler Brennereien an – um als Nationalratspräsident den Gästen etwas anbieten zu können.
«Ich möchte meine Gäste zwischendurch auch mal überraschen», schrieb Jürg Stahl im E-Mail, das er im November an einen Schweizer Getränkehersteller schickte und das der «Nordwestschweiz» vorliegt. Daher bitte er ihn, ihm zur «Grundausstattung» seines Büros im Bundeshaus einheimische Alkoholika zukommen zu lassen (siehe Auszug).
Einige Tage später bezog der in der Zwischenzeit zum höchsten Schweizer gekürte Zürcher SVP-Nationalrat das Präsidentenzimmer und füllte seinen Kühlschrank mit dem per Post zugestellten Schnaps sowie einigen Flaschen Bier. Letztere hatte Jürg Stahl von einem anderen Hersteller erhalten, den er ebenfalls angefragt hatte, wie er auf Nachfrage freimütig erzählt. Ferner stünden im Kühlschrank etliche Flaschen seines Lieblingsgetränks Rivella, sagt Stahl.
Für die Lieferung der Getränke zahlte der 48-jährige gelernte Drogist, den die «Weltwoche» vor einem Jahr in einem umstrittenen Artikel zur «Weissweinfraktion» unter der Bundeshauskuppel gezählt hatte, nichts. Und das, obwohl Nationalräte inklusive Spesen auf rund 130 000 Franken Jahresverdienst kommen und er als Präsident eine zusätzliche Zulage von 44 000 Franken erhält.
(...) Am Montag darf ich mein Nationalratspräsidenten Büro beziehen ... deshalb frage ich Sie höflich an:
Für eine «Grundausstattung» für mein Nationalratspräsidenten Büro bitten: --› ich möchte meine Gäste zwischendurch auch mal überraschen ...
(...)
Lieferadresse unten ...
Für ihre wohlwollende Prüfung meiner unkonventionellen Anfrage grüsse ich sie freundlich
NR Jürg Stahl (...)
Darüber hinaus steht den Präsidenten von National- und Ständerat für das Amtsjahr ein Kredit für Repräsentationsauslagen von je 16 600 Franken zur Verfügung. Über diesen Kredit würden unter anderem Geschenke finanziert, die der Ratspräsident abgebe, teilten die Parlamentsdienste gestern auf Anfrage mit. «In der Vergangenheit waren dies etwa Taschenmesser und Notizbücher. Auch der ‹Präsidialwein› läuft über diesen Kredit, sofern die Präsidenten einen solchen wünschen.» Kurzum: An Budget hätte es Jürg Stahl nicht gemangelt.
Der Nationalratspräsident sieht denn auch kein Problem an der kostenlos erfolgten Lieferung – im Gegenteil. «Die Lieferanten legten keine Rechnung bei», sagt er. «Wenn sie dies getan hätten, hätte ich selbstverständlich bezahlt.» Zu insinuieren, er habe seine Machtposition ausgenutzt, sei unsinnig. Vielmehr hoffe er, dass sich seine Gäste an den einheimischen Produkten erfreuen werden, womit ideal für diese geworben wäre. «Wir sollten stolz auf unsere Getränke sein, statt ausländische zu konsumieren.»
Stahls Vorgängerin Christa Markwalder sagt, während ihrer Amtszeit sei der präsidiale Kühlschrank jeweils von den Parlamentsdiensten gefüllt worden – «mit Mineralwasser, Saft, Cola und Weisswein». Da sie keinen Gin trinke, habe sie aber auch keine Sonderwünsche gehabt, so die Berner FDP-Nationalrätin schmunzelnd.
Seinen Kühlschrank von Parlamentsmitarbeitern mit Alkohol füllen zu lassen, wäre für ihn nicht infrage gekommen, sagt der Ende November auch zum Präsidenten von Swiss Olympic gekürte Stahl. «Für Schnaps sollen keine Steuergelder ausgegeben werden.»