Startseite
Schweiz
Schweizer Parlamentarier dürfen im Ausland täglich pauschal 50 Franken fürs Roaming abrechnen. Viel zu viel, findet ein Telekom-Experte
Die Europäische Union hat das Roaming vergangenen Sommer für ihre Bürger abgeschafft. Schweizer Mobilfunkanbieter dürfen von ihren Kunden weiterhin happige Zuschläge verlangen, wenn diese im Ausland telefonieren und mobil surfen – das Parlament sträubt sich bislang gegen eine Einschränkung.
Die National- und Ständeräte selber sind nicht von den hohen Tarifen betroffen: Für sie gilt ein vergleichsweise grosszügiges Regime bei offiziellen Auslandaufenthalten. Für jeden Tag, den sie mit einer Kommission oder Delegation ausserhalb der Schweiz verbringen, erhalten sie eine Roaming-Pauschale von 50 Franken – unabhängig davon, ob sie diesen Betrag effektiv benötigen.
Neue Zahlen der Parlamentsdienste zeigen, dass National- und Ständeräte diese Vergütung in der laufenden Legislatur (2015 bis 2019) bisher fast 2700 Mal in Anspruch genommen haben – das macht gut 134 000 Franken. Von 2016 auf 2017 ist die Zahl der Anträge um 17 Prozent gewachsen. «Der Betrag wird jeweils mit der Abrechnung der Reise ausbezahlt. Ein Beleg ist nicht notwendig», heisst es im Leitfaden für Ratsmitglieder.
Wie komfortabel diese Roaming-Regelung ist, zeigt sich beim Blick auf die Vergütung für Kommunikationsdienstleistungen. Jedes Parlamentsmitglied hat Anspruch auf eine Pauschale von monatlich 200 Franken für Internet-Anschlüsse, Handy- oder Festnetzabos. Über 90 Prozent nehmen diesen Betrag in Anspruch, wie aus den Zahlen der Parlamentsdienste hervorgeht.
Für den Schweizer Telekom-Experten Ralf Beyeler vom Online-Vergleichsdienst Moneyland.ch ist klar: «Eine Roaming-Pauschale von 50 Franken pro Tag ist nicht mehr zeitgemäss.» Der Datenverbrauch im Ausland sei heute bei vielen Abos inklusive. Bei der vergleichsweise teuren Swisscom erhalte man bereits für 160 Franken einen guten Internetanschluss und ein mittleres Mobilfunk-Abo mit unbegrenzter Telefonie und Datennutzung im Inland. In Europa könne man mit diesem Angebot 60 Tage gratis telefonieren und 3 Gigabyte Daten herunterladen. Für 40 Franken mehr gebe es sogar jährlich 12 Gigabyte. «Eine zusätzliche Roaming-Pauschale ist da überflüssig. Das könnte man ersatzlos streichen.» Gerechtfertigt sei die Vergütung allenfalls bei Reisen ausserhalb Europas. «50 Franken sind aber immer noch an der oberen Grenze.»
Die Pauschale hat die Verwaltungsdelegation des Parlaments 2014 beschlossen. Bis dahin hatten Parlamentarier Zugang zu einer speziellen Business-Abo-Lösung. «Da die Bedürfnisse der Ratsmitglieder allerdings zu unterschiedlich waren, wurde diese Lösung ersetzt», erklärt eine Sprecherin der Parlamentsdienste.
Wenig Verständnis für die Kritik an der Roaming-Vergütung hat der Aussenpolitiker und FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (ZH). Er zahle bei Auslandsreisen finanziell eher drauf, als dass er von hohen Pauschalvergütungen profitiere, sagt der Aussenpolitiker und nennt als Beispiel die Übernachtungskosten. Am Meeting der Weltbank in Washington beliefen sich die Kosten für eine Nacht im Hotel schnell auf 600 Franken – mit der Übernachtungspauschale könne er nicht einmal die Hälfte bezahlen, während Parlamentarier anderer Länder einfach die effektiven Kosten abrechnen und dann erst noch mit der Limousine zum Kongresszentrum fahren würden.
So schnell dürfte sich also an den Roaming-Pauschalen der Parlamentarier nichts ändern. Dafür dürfen die gewöhnlichen Konsumenten hoffen: Die Fernmeldekommission des Nationalrate stimmte im Februar einer parlamentarischen Initiative der Baselbieter CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter zu, welche verlangt, dass die Mobilfunkanbieter einander die Roaming-Kosten nur noch kostenbasiert und den Endverbrauchern mit einer vom Bundesrat festzusetzenden maximalen Preismarge verrechnen dürfen.
Bei einer vollständigen Abschaffung des Roamings dürften wohl auch die 50-Franken-Pauschalen für Parlamentarier nur noch schwierig zu rechtfertigen sein.