Als gäbe es keine Pandemie, posiert der Bundesrat auf dem offiziellen Foto eng beieinander – Photoshop sei Dank. Der neue Bundespräsident Guy Parmelin setzt auf das Motto «Neue Sicht auf Altbekanntes». Anders gesagt: Es gibt alten Wein in neuen Schläuchen.
So nah, ja so distanzlos! Die Bundesräte schmiegen sich schon fast aneinander, so eng stehen sie auf dem neuen Bundesratsfoto zusammen - so eng, wie man es sich längst nicht mehr gewohnt ist. Die Symbolik, ausgewählt vom neuen Bundespräsidenten Guy Parmelin, ist ebenso klar wie wenig überraschend: Wir stehen zusammen.
Vorsichtshalber hat der Bund ein «Making-Of»-Video mitgeliefert, damit jedem klar wird: Es handelt sich um eine corona-konforme Bildmontage:
Die Bundesräte traten einzeln vor die Kamera, die Stylistin trug selbstverständlich Maske und Handschuhe, als sie die Haare der Magistraten zurechtzupfte. Untermalt von Musik, die man vor Jahrzehnten als peppig bezeichnet hätte (der Synthesizer lässt grüssen!), erfährt man sogar, welcher Haarspray genutzt wurde. So viel Transparenz gibt's in Bundesbern selten.
Der Bundesrat hat sich dank Photoshop eine heile, leicht kitschige Welt zusammengebaut. Zugegeben: Die Aufgabe für Bundespräsident Parmelin und den Fotografen war schwierig - Gruppenfotos sind derzeit tückisch. Mit anderthalb Meter Abstand hätten die Magistraten verloren gewirkt.
Und dank Bildbearbeitung konnten auch gleich die wahren Grössenverhältnisse durchgegeben werden: Parmelin, der «Primus inter Pares» von 2021, überragt alle anderen deutlich. Tatsächlich ist der Wirtschaftsminister grossgewachsen. Doch im wahren Leben überragt Alain Berset seinen Kollegen Ueli Maurer um fast einen Kopf – und nicht nur um eine Glatze.
Als Hintergrund hat sich Parmelin ein schönes Foto des Bundeshauses ausgesucht, bei dem er zeigen kann, wie modern und innovativ er ist (immerhin ist er auch Chef des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation!). Der Fotograf Markus A. Jegerlehner hat das Bild nämlich mit einer Drohne aufgenommen. Entstanden ist ein Bild, das sich Bern Tourismus kaum besser wünschen könnte. Und man fragt sich: Zeigt sich da schon der Silberstreifen am Horizont?
Das Foto aus der Vogelperspektive soll «eine neue Sicht auf Altbekanntes ermöglichen», wie es offiziell heisst. Man könnte auch sagen: Alter Wein in neuen Schläuchen. Der frühere Winzer und neue Bundespräsident Parmelin sagt gemäss Mitteilung:
Es ist mir wichtig, dass wir in diesen schwierigen Zeiten gemeinsam und unvoreingenommen scheinbar Unverrückbares neu betrachten.
Keine grossen Worte sollte man heutzutage ja über Äusserlichkeiten verlieren. Drei Dinge aber fallen auf. Erstens: Die Farbe Blau ist beliebt im Bundesrat, wobei Viola Amherd und Simonetta Sommaruga mit Weinrot und Beige gekonnt Kontrapunkte setzen. Zweitens: Ueli Maurer, wie immer mit Schweizer Kreuz am Revers, hatte offensichtlich keine Lust zu lächeln. Drittens: Die Krawatte von Vizepräsident Ignazio Cassis erinnert entfernt an ein berühmtes Blumensofa – aber dazu schweigen wir hier lieber.
Beunruhigender ist sowieso etwas anderes: Die Hände der Bundesräte fehlen. Von der Bildkomposition her mag das richtig sein, aber für die Symbolik? Wer packt denn hier an, wer macht die Arbeit? Wird nur noch analysiert, beobachtet und nachgedacht? Oder handelt hier auch jemand?
Immerhin: Im Gegensatz zum letztjährigen Bundesratsfoto, das ziemlich düster wirkte, strahlt das diesjährige viel Optimismus aus. Und das können wir beim diesjährigen Jahreswechsel nun wirklich gebrauchen.
Markus A. Jegerlehner wurde 2002 mit dem Swiss Press Award ausgezeichnet für sein Foto eines Swissair-Piloten am Strand in Rio de Janeiro während des Swissair-Groundings. Ursprünglich hat er ein Praktikum als Landwirt absolviert - und zwar auf dem Hof der Familie Parmelin - bevor er sich später zum Fotografen ausbilden liess.