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Die Zahl der Asylgesuche von unbegleiteten Minderjährigen explodiert förmlich. Die Kantone sind für deren Integration verantwortlich. Peter Gomm, oberster Sozialdirektor der Schweiz, erklärt, wie sie den Ansturm meistern.
Die Kantone handhaben die Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen aus Kriegsregionen ganz unterschiedlich. Das soll sich ändern, findet der Solothurner SP-Regierungsrat Peter Gomm. Er will die Standards nach oben anpassen.
Peter Gomm: Zentral bleiben die Sprachkurse, die für eine erfolgreiche Arbeitssuche besonders wichtig sind. Wir müssen aber nebst den bewährten Massnahmen auch nach weiteren Modellen suchen. Das Vermitteln von verpasster Schulbildung wird beispielsweise einen hohen Stellenwert einnehmen. Das kostet in einer ersten Phase erheblich Geld – dafür spart man in einer zweiten dann Sozialhilfeausgaben.
Asylsuchende unter 18 Jahren sind wie jedes inländische Kind ohne Familie besonders schutzbedürftig. Unterbringung und Betreuung müssen an die Bedürfnisse dieser jungen Menschen angepasst sein: Möglich ist beispielsweise die Unterbringung bei Verwandten, in Pflegefamilien oder in speziellen Zentren. Hingegen ist die Unterbringung gemeinsam mit erwachsenen Personen in Asylunterkünften zu vermeiden.
Die Anzahl unbegleiteter Kinder und Jugendlicher, die in der Schweiz um Asyl nachsuchen, stieg letztes Jahr auf 2736. Im Jahr 2014 waren 795 Gesuche eingegangen. Dass die kantonale Sozialdirektoren-Konferenz (SODK) mit ihren Empfehlungen einem Bedürfnis nachkommt, bestätigt die Schweizerische Flüchtlingshilfe. Die Betreuung von Minderjährigen sei in einzelnen Kantonen nicht ideal oder gar ungenügend, sagte Mediensprecher Stefan Frey auf Anfrage. Probleme gebe es vor allem bei der Unterbringung.
Unbegleitete Kinder oder Jugendliche würden in allgemeinen Durchgangszentren untergebracht. Das sei unhaltbar. Die Flüchtlingshilfe erwartet von der Politik, dass die Bedingungen für die unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden auf einem einheitlichen, der Kinderrechtskonvention entsprechenden Standard gehalten werden. Integration in Schule und Beruf habe Priorität. Die Empfehlungen der SODK sehen Minimalstandards vor. Sie sollen in der Unterbringung, Betreuung und in der gesetzlichen Vertretung unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender eine gewisse Harmonisierung der kantonalen Regelungen bringen. (sda)
Das Phänomen ist für die Kantone relativ neu. Die Zahl der Asylgesuche von unbegleiteten Minderjährigen hat erst seit 2014 markant zugenommen – sie war letztes Jahr achtmal so hoch wie 2013. Zuvor waren nur einzelne Kantone mit dieser Frage konfrontiert. Alle Kantone sind daran, Lösungen zu suchen, um diese Kinder aufzunehmen. Grössere Kantone verfügen bereits über Zentren für Minderjährige, die wie Jugendheime funktionieren. Andere haben Wohngruppen oder die Minderjährigen sind in ordentlichen Durchgangszentren untergebracht. Dort müssen spezielle Massnahmen getroffen werden.
Die Kosten sind je nach Betreuungsart und Intensität unterschiedlich hoch.
Derzeit erfassen wir erst die Kosten in den Kantonen. Ich kann noch keine konkreten Zahlen nennen.
Die Vertrauensperson begleitet ihn im Asylverfahren und nimmt dessen Interessen wahr. Solange noch keine Vormundschaft errichtet wurde, um seine Rechte sicherzustellen, umfassen die Aufgaben der Vertrauensperson auch administrative und organisatorische Aufgaben, die soziale Betreuung am Wohnort und weitere Probleme.
Beide Seiten müssen sich gegenseitig vertrauen. Die Person wirkt unterstützend und soll nicht noch mehr Konflikte in das Verhältnis zwischen Jugendlichem und Staat hineinbringen.
Mit den Empfehlungen bekennen sich die Sozialdirektoren zu gewissen Mindeststandards. Die Empfehlungen sind für die Kantone jedoch nicht bindend. Kommt es zu Fällen von Vernachlässigung oder Missbrauch, steht ein Kanton jedoch sofort im Fokus. Deswegen haben die Kantone alle Interesse daran, die Empfehlungen umzusetzen.
In Fällen, wo die Beurteilung des Alters durch das Staatssekretariat für Migration (SEM) Zweifel aufwirft, haben die Kantone dennoch die Möglichkeit, kindesschutzrechtliche Massnahmen zu treffen. Grundsätzlich ist es aber Sache des SEM, geeignete Methoden zur Abklärung des Alters einzusetzen.
Entscheidend ist für mich, dass viel früher entschieden wird, wer gehen muss und wer schutzbedürftig ist. So können wir früher mit Integrationsmassnahmen beginnen. Das führt mittelfristig zu einer spürbaren Entlastung der Sozialhilfe. Das neue System führt vor allem bei den Kantonen dazu, dass sie sich personell und finanziell weniger im Asylwesen beteiligen müssen.