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Schweiz
Die Finanzmarktaufsicht (Finma) hat in den vergangenen drei Jahren 60,2 Millionen Franken für Mandate an Beraterfirmen ausgegeben - ohne diese Aufträge öffentlich auszuschreiben. Jetzt will die Politik handeln.
SVP-Nationalrat Lukas Reimann fragte den Bundesrat am Mittwoch vor einer Woche, wie viel Geld die Finanzmarktaufsicht (Finma) in den vergangenen drei Jahren für extern vergebene Mandate ausgegeben hat.
Den Input hatte der St. Galler gemäss eigener Aussage von Vertretern kleiner Finanzinstitute erhalten (siehe Artikel unten).
Diesen Montag erhielt Reimann vom Bundesrat eine Antwort: 60,2 Millionen Franken waren es zwischen 2010 und 2012.
34 Millionen kostete allein das Konkursmandat Lehman Brothers im Jahr 2010. Den Zuschlag dafür erhielt das Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC), wie das Schweizer Radio (SRF) gestern berichtete.
Erstaunlicher als die Höhe der Kosten ist jedoch die Tatsache, dass die Mandate jeweils nicht öffentlich ausgeschrieben wurden.
Dies geht ebenfalls aus der Stellungnahme des Bundesrates hervor: «Die Finma führt eine Kandidatenliste für die Vergabe der Mandate. Aus der Liste wählt sie die für ein bestimmtes Mandat geeignete Beauftragte aus.» Eine Ausschreibung ist nicht vorgesehen.
Eine Behörde mit Privataufträgen?
Wie ist es möglich, dass eine eidgenössische Aufsichtsbehörde Mandate in Millionenhöhe vergibt, ohne diese auszuschreiben oder kompetitive Offerten einzuholen?
Finma-Sprecher Tobias Lux versucht zu erklären: «Grundsätzlich untersteht die Finma für eigene Beschaffungen dem Beschaffungsrecht und wendet dieses auch an. In diesem Fall handelt es sich aber nicht um eine eigene Beschaffung der Finma.»
Die Argumentation: Die Kosten für Finma-Beauftragte – Untersuchungsbeauftragte, Konkursliquidatoren etc. – müssten gemäss Gesetz die von der Finma beaufsichtigten Firmen tragen.
Daher würden diese Mandate keine Beschaffungen der Finma darstellen – und unterstünden deshalb auch nicht dem öffentlichen Beschaffungsrecht.
Für Peter Hettich, Professor für Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Universität St. Gallen (HSG), ist dies eine fadenscheinige Begründung: «Die Finma ist Teil des Staates und kann von den beaufsichtigten Unternehmen nur deshalb Geld einziehen. Die Aufträge unterscheiden sich deshalb kaum von anderen öffentlichen Aufträgen.»
Die Finma nennt jedoch auch noch ein weiteres Argument, das sie von einer öffentlichen Ausschreibung befreien soll.
Sprecher Lux: «In einer Situation, in der die Finma einen Beauftragten – wie hier beim Konkurs – einsetzt, besteht immer zeitlich höchste Dringlichkeit, ansonsten würden die Gläubigerinteressen gefährdet.» Ergo: Es war jeweils gar nicht möglich, verschiedene Offerten einzuholen.
Politik will handeln
Dringlichkeit ist einer der Ausnahmegründe, in denen ein öffentlicher Auftrag direkt und ohne Ausschreibung vergeben werden kann.
Unter Art. 13 Abs. 1 lit. d der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen heisst es dazu wörtlich: «Aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse wird die Beschaffung so dringlich, dass kein offenes oder selektives Verfahren durchgeführt werden kann.»
Doch war das Konkursmandat Lehman Brothers tatsächlich ein solch dringlicher Fall?
Zweifel sind angebracht, schliesslich vergab die Finma den Auftrag im Jahr 2010 – Lehman Brothers musste aber bereits 2008 Insolvenz beantragen.
Zudem sagt HSG-Professor Hettich: «Auch bei Dringlichkeit ist meist Zeit, um telefonisch drei Offerten einzuholen.»
Letztlich kann nur ein Gericht entscheiden, ob das bisherige Vorgehen der Finma rechtlich in Ordnung war. Dazu wird es aber nur kommen, wenn jemand gegen eine Vergabe klagt. Das war bisher nicht der Fall.
Auf jeden Fall Ärger droht der Finma aber von der Politik. Nationalrat Reimann will das Thema in der nächsten Session erneut aufgreifen.
Gut möglich, dass der Finma bei der Vergabe von Millionenaufträgen bald besser auf die Finger geschaut wird. Bisher genoss sie offensichtlich Narrenfreiheit.
Das Bundesamt für Bauten und Logistik – normalerweise für das öffentliche Beschaffungswesen verantwortlich – schrieb auf Anfrage:
«Aufgrund der uns nicht im Detail bekannten organisatorischen Entwicklung der Finma können wir nicht sagen, ob sie dem Submissionsgesetz unterstellt ist.» Das müsse die Finma schlussendlich selbst am besten beurteilen können.
Die Motion des SVP-Nationalrats Lukas Reimann kann als unverfängliche Anfrage verstanden werden. Oder als neue Dimension im Kampf gegen den Finma-Chef Patrick Raaflaub.
Bisher kam die Kritik vor allem aus Bankenkreisen. Nun wird auch auf dem politischen Parkett geschossen.
Zufälligerweise feuert auch die SVP-nahe «Weltwoche» in der aktuellen Ausgabe eine Salve ab und bezeichnet Raaflaub als «Hilfs-Sheriff der USA».
Den Banken ist Raaflaub schon lange ein Dorn im Auge. Seit seinem Antritt am 1. Januar 2009 fordert er die Banken heraus.
So hat die Finma ab 2015 etwa die Sicherheitsvorschriften der Banken massiv verschärft.
Im Vernehmlassungsprozess haben sich die Banken gewehrt. Die Umsetzung der vorliegenden Grundsätze würde für eine Bank zu sehr hohen Kosten führen und sei im Vergleich zum Nutzen unverhältnismässig, so die Credit Suisse in ihrer Stellungnahme. Andere Banken schlugen in die gleiche Kerbe. Raaflaub setzte vor kurzem die Forderungen trotzdem durch.
In Bankenkreisen wird zudem kritisiert, dass gewisse Richtlinien per «Newsletter» eingeführt werden.
So geschehen bei der Aufforderung im November 2012: Die Finma verlangte von den Banken, dass sie dem Bundesgerichtsentscheid zu den sogenannten Retrozessionen «umgehend Rechnung zu tragen» hätten.
Unklare Kommunikation
Man interpretierte dies in Bankenkreisen dahingehend, dass ab sofort Rückstellungen zu bilden seien.
«Die Mitteilung blieb aber unklar. Zudem kam die Aufforderung spät, und sie entbehrte der rechtlichen Basis», so ein hochrangiger Bankenvertreter. Würde sich Raaflaub einer Gewährsprüfung für einwandfreie Geschäftsführung unterziehen müssen, so würde er durchfallen, frotzelte unlängst ein Banker.
Alt und oft zu hören sind die Beschwerden, dass die Produktebewilligungsverfahren bei der Finma zu viel Zeit in Anspruch nehmen würden. Und bei alle dem sei man der Finma machtlos ausgeliefert.
«Die Finma liefert selten rechtlich anfechtungsfähige Antworten», so die Klage über die nicht vorhandene Reziprozität bei den Verhandlungspositionen zwischen Banken und Finma. (fhm)