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Schweiz
Für die Mutter der ermordeten Lucie Trezzini ist der Entscheid des Bundesgerichts nicht nachvollziehbar. Dennoch hat sie das Vertrauen in die Justiz nicht verloren. Doch müssten die Gesetze für eine lebenslange Verwahrung besser formuliert werden.
Was löst es bei Ihnen aus, dass der Mörder Ihrer Tochter nun doch nicht lebenslang verwahrt wird?
Nicole Trezzini: Unverständnis. Es ist für mich nur schwer vorstellbar, dass Daniel H. wieder einmal frei sein könnte. Das Volk hat 2004 der Initiative für lebenslange Verwahrung von nicht therapierbaren Sexual- und Gewaltstraftätern zugestimmt. Das Gesetz dafür steht. Aber wann wird dieser Gesetzesartikel angewendet? Wie viele Taten muss ein Mörder begehen, bis er für immer im Gefängnis bleiben muss?
Haben Sie, wenn auch nur ein bisschen, Verständnis für den Entscheid?
Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür.
Lebenslänglich dürfe nur verwahrt werden, wer tatsächlich auf Lebzeiten keiner Behandlung zugänglich sei, heisst es in der Begründung des Bundesgerichts. Was sagen Sie zu dieser Begründung?
Die psychiatrischen Experten sagen, dass sie nicht prophezeien können, wann der Täter wieder gesund sein wird. Logischerweise wird ein Arzt nie sagen, dass Daniel H. für immer krank bleiben wird. Aber man kann mit Sicherheit auch nicht sagen, dass er in 20 Jahren gesund sein wird. Deshalb verstehe ich die Begründung des Gerichts nicht, die Sicherheit der Bevölkerung ist nach dem heutigen Entscheid nicht mehr gewährleistet.
Sehen Sie Möglichkeiten, gegen dieses Urteil anzukämpfen?
Nein, wir können nichts mehr machen. Man muss vor allem das Gesetz überprüfen. Wann kann es wirklich angewendet werden? Diese Frage muss beantwortet werden. Die Politik muss das Gesetz überarbeiten und präziser formulieren.
Ist Ihr Vertrauen ins Schweizer Rechtssystem nun aufgebraucht?
Ich habe immer Vertrauen ins Schweizer Rechtssystem. Aber es ist nicht perfekt, man muss diesen neuen Artikel aus dem Jahre 2004 überarbeiten. Er ist nicht klar formuliert. Aber der Wille des Volkes ist klar. Man will, dass solche Straftäter lebenslänglich verwahrt werden. Dieser wird zurzeit nicht befolgt. Dennoch habe ich Vertrauen ins Rechtssystem, ich zähle darauf. Das System ist gut, aber man muss einfach immer weiter daran arbeiten.
Durch das Urteil des Bundesgerichts ist nun eine bedingte Entlassung des Mörders möglich. Wie gross ist die Angst, dass der Täter eines Tages tatsächlich wieder auf freiem Fuss sein könnte?
Er kann tatsächlich wieder einmal frei sein. Das ist gefährlich für die ganze Gesellschaft.
Haben Sie damit gerechnet, dass der Bundesgerichtsentscheid so lange auf sich warten lässt?
Nein, es dauerte wirklich sehr lange. Der Entscheid kam erst nach 15 Monaten. Jetzt ist er erst noch negativ, das ist umso bitterer. Es ist wirklich schwer für uns.
Wie gross ist das Bedürfnis zur Ruhe im ganzen Fall?
Sehr gross. Es wird sehr lange dauern, bis ich persönlich wieder zur Ruhe komme. Wann genau das sein wird, weiss ich nicht. Das ist mein Leben, der Mordfall an Lucie begleitet mich jeden Tag.