Mit dem neuen Unterhaltsrecht erhält der- oder diejenige, welche nach der Trennung das Kind betreut, auch ohne Ehe mehr Geld.
86 600 Babys sind 2015 in der Schweiz auf die Welt gekommen. Die meisten davon sind Kinder eines Ehepaars. Doch anteilmässig werden es immer weniger: 19 800 Geburten erfolgten letztes Jahr nicht ehelich – das sind insgesamt 22,9 Prozent oder über 7 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. In praktisch allen Fällen (99 Prozent) anerkennen die Väter ihr Kind freiwillig.
Die Tendenz zu unehelichen Kindern wird weiter anhalten. Weil gleichzeitig die Trennungs- und Scheidungsrate der Eltern auf hohem Niveau verharrt, tun neue gesetzliche Bestimmungen not – so die Absicht von Bundesrat und Parlament. Am 1. Januar tritt deshalb das neue Unterhaltsrecht in Kraft. Bereits jetzt ist vorhersehbar: Es birgt einiges an Konfliktpotenzial.
Im Zentrum der neuen Regelungen steht weiterhin das Wohl der Kinder. Damit sie harmonisch aufwachsen können, braucht es in erster Linie eine gute Beziehung zu beiden Elternteilen. Bereits 2014 wurde das gemeinsame Sorgerecht ins Zivilgesetzbuch aufgenommen. Fürs maximale Kindeswohl sind aber auch verlässliche Betreuungsverhältnisse und finanzielle Sicherheit unabdingbar – und zwar auch dann, wenn die Eltern kein Paar mehr sind und nie ein Ehepaar waren. Genau in diesem Punkt stehen nun tiefgreifende Änderungen an.
Neu wird nämlich der sogenannte Betreuungsunterhalt eingeführt. Das heisst, dass bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs nicht mehr nur die direkten Kosten für die Betreuung eines Kindes berücksichtigt werden (etwa für Essen, Wohnen und Kleider), sondern auch die entstehenden finanziellen Auswirkungen für die betreuende Person. Der Elternteil, der sich mehr um das Kind (oder die Kinder) kümmert, soll dafür angemessen entschädigt werden – unabhängig vom Zivilstand.
Damit wird die Ungleichbehandlung von verheirateten gegenüber ledigen Paaren mit Kindern aus der Welt geschafft. Geschiedene Personen, die das Kind betreuen, haben nämlich bereits heute Anspruch auf Unterhaltszahlungen des ehemaligen Ehepartners.
Vereinfacht gesagt sind also unverheiratete Männer mit Kindern, die von ihren ehemaligen Partnerinnen getrennt leben, vom neuen Gesetz am meisten betroffen. Denn nach einer Trennung sind es – teilweise durch die Gerichte so entschieden – noch immer zumeist die Mütter, welche den Grossteil der Betreuungsaufgaben für den Nachwuchs übernehmen.
Doch wie teuer wird es für die ledigen, getrennten Väter in Zukunft? Und wie berechnet man den Betrag genau? Diese Fragen sind noch offen. In seiner Botschaft schreibt der Bundesrat, der Betreuungsunterhalt umfasse «grundsätzlich die Lebenshaltungskosten der betreuenden Person, soweit diese aufgrund der Betreuung nicht selber dafür aufkommen kann». Das gelte, wenn die Betreuung des Kindes «während einer Zeit erfolgt, während der dem betreuenden Elternteil ansonsten die Ausübung einer Erwerbstätigkeit möglich wäre», so der Bundesrat – konkret nicht am Abend oder am Wochenende.
Mangels klarer Kriterien vonseiten der Politik haben Juristen bereits jetzt eigene Berechnungsmodelle entwickelt. So legt die Zürcher Anwältin und Familienrechtlerin Christine Arndt in ihrem pauschalen Kostenmodell den Unterhalt bei monatlich 3200 Franken fest – bei einer 100-Prozent-Betreuung. Dies entspreche dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum inklusive Steuern, sagte sie dem «TagesAnzeiger». Arbeitet die Person Teilzeit, sinkt der Betrag entsprechend.
Letztlich werden aber erst (höchst-)richterliche Entscheide Klärung bringen. Diese dürften in den nächsten zwei Jahren gefällt werden. Dabei müssen die Richter nicht nur die Berechnungsmethodik definieren, sondern auch festlegen, bis zu welchem Kindesalter der Betreuungsunterhalt (vollständig) bezahlt werden muss.