Mobilfunk
Neuer Streit um Handy-Strahlung: 5G-Skeptiker beklagen Bubentrick

Der Bundesrat lockere den Schutz vor Handystrahlen durch die Hintertüre, kritisieren Antennengegner.

Roger Braun
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Arbeiter bei der Montage einer 5G-Antenne in Bern.Peter Klaunzer/Keystone

Arbeiter bei der Montage einer 5G-Antenne in Bern.Peter Klaunzer/Keystone

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Schnell ist es, das Mobilfunknetz der fünften Generation. In zwei Sekunden lässt sich ein Film herunterladen. Doch wird 5G auch bald in der Schweiz verfügbar sein? Seit der Ständerat zweimal Nein gesagt hat zur Lockerung des Strahlenschutzes, sehen die Telekomanbieter den Ausbau des 5G-Netzes gefährdet. Derzeit macht sich eine Arbeitsgruppe Gedanken, wie das ultraschnelle Internet künftig flächendeckend verbreitet werden kann.

Um was geht es? Sendeanlagen der neusten Generation strahlen anders als herkömmliche Antennen. Sie richten die gesteigerte Leistung gezielt auf den aktiven Mobilfunknutzer, während das restliche Umfeld der Antenne deutlich weniger belastet wird. Der Bundesrat hat deshalb entschieden, für diese «adaptiven Antennen» eine spezielle Rechtsgrundlage zu erstellen. Dürfen herkömmliche Antennen den maximalen Grenzwert für den Strahlenschutz zu keinem Zeitpunkt überschreiten, soll bei adaptiven Antennen «die Variabilität der Senderichtungen und der Antennendiagramme berücksichtigt werden», wie es in der Verordnung heisst, die ab 1. Juni gilt.

Wie die variable Belastung konkret gemessen wird, muss das Bundesamt für Umwelt noch in einer Vollzugshilfe an die Kantone regeln. Klar ist, dass adaptive Antennen mit grösseren maximalen Strahlungen werden operieren können. Die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz sehen hier ähnlich wie der Verein «Schutz vor Strahlung» ein Einfallstor für die Schwächung des Strahlenschutzes: Markus N. Durrer, der die Umweltschutzorganisation in der Arbeitsgruppe des Bundes vertritt, spricht von einem «Bubentrick» des Bundesrats. Er warnt davor, dass die Verordnungsänderung den Weg frei macht für eine Erhöhung der effektiven Sendeleistung um den Faktor 10 bis 40.

Misstrauen auch im Parlament

Auch Mitglieder des Parlaments sind aufgeschreckt. «Hier wird das Potenzial geschaffen, um den Strahlenschutz empfindlich zu schwächen», sagt der Zürcher SP-Nationalrat Thomas Hardegger. Er befürchtet, dass das Bundesamt für Umwelt unter Druck geraten wird, eine telekomfreundliche Vollzugshilfe zu formulieren. Unverständlich ist für ihn der Zeitpunkt des Entscheids. «Ich verstehe nicht, wieso der Bundesrat vorprescht, bevor die Arbeitsgruppe im Sommer ihre Ergebnisse präsentiert hat», sagt Hardegger. Für ihn herrscht keine Eile, so komme die 5G-Technologie in der Schweiz ja noch gar nicht zur Anwendung. Eigenartig mutet ihm auch die Art der Kommunikation an. «Kurz vor Ostern, verpackt mit fünf anderen Verordnungen – das lässt vermuten, dass der Bundesrat möglichst wenig Aufsehen erregen wollte», sagt Hardegger.

Neue Messmethoden notwendig

Ganz anders sieht das Peter Grütter, der Präsident des Verbands der Telekomanbieter Asut. «Das ist keine Lockerung durch die Hintertüre, sondern die Anwendung des Vorsorgeprinzips auf eine neue Antennentechnologie», sagt er. Für ihn ist es logisch, dass adaptive Sendeanlagen anders behandelt werden als die herkömmlichen. «Wenn Antennen nicht mehr strahlen wie Giessekannen, muss man die Belastung auch anders messen», sagt Grütter. Es gehe um nichts anderes, als eine angemessene Messmethodik zu finden.

Die Befürchtungen des Vereins «Schutz vor Strahlung» hält er für überzogen. Der Bundesrat habe ja erst entschieden, dass es neue Messmethoden für eine neue Technologie brauche, sagt er. Welche das sein werden, sei Gegenstand von Diskussionen in der Arbeitsgruppe, wo auch Vertreter von Umwelt- und Gesundheitsorganisationen vertreten seien. «Das Klagen auf Vorrat ist unangebracht», sagt Grütter.