Parlamentarier
Nationalrätin Kälin forderte 2.-Klass-GA – warum sie sich jetzt ihrer Stimme enthielt

Die Aargauer Neo-Nationalrätin Irène Kälin wollte vom Bund bloss ein 2.-Klass-GA, statt eines der ersten Klasse – aber sie blitzte ab. Nun versenkte der Rat auch eine Motion von SVP-Nationalrat Lukas Reimann, die dasselbe forderte. Interessant: Grünen-Politikerin Kälin enthielt sich der Stimme – wohl mit gutem Grund.

Elia Diehl
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Grüne-Nationalrätin Irène Kälin wollte eigentlich ein 2.-Klass-GA für Bundesparlamentarier. Bei einer Motion, die dies forderte, enthielt sie sich ihrer Stimme, weil diese noch weitere Bereiche tangiert hätte.

Grüne-Nationalrätin Irène Kälin wollte eigentlich ein 2.-Klass-GA für Bundesparlamentarier. Bei einer Motion, die dies forderte, enthielt sie sich ihrer Stimme, weil diese noch weitere Bereiche tangiert hätte.

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Mitglieder des Bundesparlaments haben gemäss Gesetz Anrecht auf ein Generalabonnement (GA) der Bundesbahnen. Genauer gesagt auf ein GA erster Klasse.

Das wollte die 30-jährige Neo-Nationalrätin Irène Kälin aber nicht. Die Lenzburger Grünen-Politikerin störte sich an diesem Privileg und bat den Parlamentsdienst um ein 2.-Klass-GA, das ihr aber verweigert wurde.

Das Bundesrecht sieht dies nämlich nicht vor: «Die Ratsmitglieder erhalten als Pauschalentschädigung für Reisen im Inland: ein Generalabonnement 1. Klasse der schweizerischen Transportunternehmungen; oder einen Betrag in Höhe der dem Bund entstehenden Kosten eines solchen Abonnements», heisst es dort.

Enthaltung bei Motions-Abstimmung

Eine Motion des St.Galler SVP-Nationalrats Lukas Reimann forderte ebenfalls, dass National- und Ständeräten künftig nur noch ein 2.-Klass-GA vergütet wird.

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Es liessen sich rund 600'000 Franken jährlich einsparen, argumentierte Reimann. Zudem sorge es für mehr Volksnähe, wenn Bundesparlamentarier in der 2. Klasse mitfahren würden.

Gehör fand auch Lukas Reimann nicht. Am Donnerstag lehnte der Nationalrat den Vorstoss deutlich mit 154 Nein- zu 28 Ja-Stimmen ab.

Beim Aargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner sorgte bei der Abstimmung am Donnerstag wiederum seine Grüne Aargauer Amtskollegin für Ärger, denn diese enthielt sich ihrer Stimme.

Glarner schrieb auf Facebook: «Typisch Irène Kälin (Grüne): Zuerst rühmt sie sich, dass sie gerne ein GA 2. Klasse hätte - bei der Abstimmung über eine Motion, die genau dies will, enthält sie sich der Stimme...»

Wo das Problem der Motion liegt

Warum also setzt sich die 30-jährige Lenzburgerin nicht für das Anliegen von Lukas Reimann ein? Ein Grund könnte im konkreten Wortlaut der Forderung liegen.

Liest man den Vorstoss genau, geht es Reimann nämlich nicht nur um das 1.-Klass-GA für Bundesparlamentarier, sondern auch um jenes aller Kaderangestellten von Bund, SBB und Verband öffentlicher Verkehr.

Sie bestätigt: «Der Vorstoss von Lukas Reimann vermischt Äpfel mit Birnen: Es geht nicht nur um das 1.-Klass-GA für Parlamentarier, sondern auch um die von Kaderangestellten von Bund, SBB und dem Verband öffentlicher Verkehr.» Es gelte, dies differenziert zu betrachten. «Die Politik darf der SBB nicht in die Lohnverhandlungen reinreden – und die GA sind ein Lohnbestandteil. Wir sind nicht zuständig für das operative Geschäft der SBB.» Hätte Lukas Reimann sich in seinem Vorstoss nur auf Bundesparlamentarier bezogen, hätte Kälin «mit Freuden» zugestimmt. «So musste ich mich aber enthalten, da der eine Teil der Forderung top, der andere aber ein absolutes No-Go war.»

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Der Bundesrat hält in seiner schriftlichen Stellungnahme dazu auch fest, dass Bundesangestellte grundsätzlich keinen Anspruch auf die Gratisabgabe eines GA haben, ausser man reise pro Jahr dienstlich mehr als 90 Tage. «Damit werden ihnen die Reisespesen kompensiert. 2016 betraf dies beim Bundespersonal total 557 GA (erste Klasse: 313; zweite Klasse: 244).»

Er verweist weiter darauf, dass der Bund bei SBB- und VöV-Mitarbeitenden nicht zuständig sei für die Lohnnebenleistungen. «SBB-Mitarbeitende mit einem Beschäftigungsgrad von mindestens 50 Prozent erhalten ein Generalabonnement (GA), das im Lohnausweis zu deklarieren ist.»

Hoppla – oder der kleine Glarner-Fauxpas

Einen kleinen Fauxpas erlaubte sich übrigens auch der SVP-Nationalrat aus Oberwil-Lieli. In seinem Facebook-Post betitelte Andreas Glarner Kälin zuerst fälschlicherweise als Sozialdemokratin.

Screenshot Facebook