Wallis
Nach Wahlschlappe: SVP-Freysinger sieht sich als Opfer einer Hetzjagd

Der ehemalige CVP-Präsident Darbellay wendet den SVP-Angriff ab und landet auf Platz 1.

Antonio Fumagalli, Sitten
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SVP-Hardliner und -Islamkritiker Oskar Freysinger hat in der ersten Runde der Walliser Regierungsratswahlen enttäuschend abgeschnitten.

SVP-Hardliner und -Islamkritiker Oskar Freysinger hat in der ersten Runde der Walliser Regierungsratswahlen enttäuschend abgeschnitten.

Keystone

Das Wallis und der Wein. Es ist eine Symbiose, wie sie so in keinem anderen Kanton existiert. Man ist stolz auf seinen Fendant und kultiviert den Weingenuss, wo man nur kann. Das gilt nicht nur, aber in besonderem Mass für Christophe Darbellay, Verwaltungsratspräsident eines Weinhändlers, Ex-CVP-Schweiz-Präsident und Kandidat für den Walliser Staatsrat, wie die Regierung hier heisst.

Bevor gestern Mittag die Urnen schlossen, veröffentlichte Darbellay ein Bild eines Weinbergs und merkte an, dass die Ernte trotz fehlender Trauben «schon heute stattfinde». Wenig später liess er sich bereitwillig beim Apéro mit der Familie ablichten.

Darbellay ahnte früh, dass es an diesem Nachmittag gut kommen würde für ihn. In den Oberwalliser Gemeinden landete er durchs Band auf den vorderen Rängen, und als später die Resultate des französischsprachigen Kantonsteils eintrafen, steigerte sich sein Optimismus in Euphorie. Kurz vor 18 Uhr war die Überraschung schliesslich perfekt: Darbellay erzielte von allen 13 Kandidaten das beste Resultat.

CVP-Mann Darbellay hat die Nase vorn.

CVP-Mann Darbellay hat die Nase vorn.

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Wind säen, Sturm ernten

Trotz seines Bekanntheitsgrads ist dies alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Nicht nur war im Vorfeld der Wahlen schwer abzuschätzen, wie stark das Walliser Stimmvolk am unehelichen Kind Darbellays Anstoss nehmen würde. Vor allem aber lancierte das «Rechtsbürgerliche Bündnis» rund um SVP-Mann Oskar Freysinger einen Frontalangriff auf die CVP und deren Aushängeschild Darbellay. Es nahm mit Nicolas Voide einen Kandidaten auf seine Liste, der nicht nur der CVP angehört, sondern auch aus dem gleichen Bezirk wie Darbellay stammt (aus dem nur einer gewählt werden kann). Dass der Angriff auf seine Person verpuffte, erfüllt Darbellay nun sichtlich mit Genugtuung. Er profiliere sich mit seiner Politik, sagte er. Die Bürger hätten erkannt, dass seine Familienangelegenheiten damit nichts zu tun hätten. Angesprochen auf das aus seiner Optik «katastrophale Ergebnis» seines Intimfeindes Freysinger bemüht der überzeugte Katholik die Bibel: «Wer Wind sät, wird Sturm ernten.»

In der Tat ist das Glanzresultat Darbellays und der beiden anderen CVP-Kandidaten gleichzeitig eine schmerzhafte Ohrfeige für den überaus umstrittenen Bildungsminister Freysinger. Vor vier Jahren als Neuling noch mit dem besten Resultat aller Kandidaten gewählt, schloss er gestern lediglich auf dem sechsten Platz ab. Gegenüber 2013 verlor er rund ein Drittel der Stimmen. Neben Darbellay und Roberto Schmidt (CVP) sowie den bisherigen Jacques Melly (CVP) und Esther Waeber-Kalbermatten (SP) musste er gar den zweiten SP-Kandidaten Stéphane Rossini vorbeiziehen lassen – eine regelrechte Sensation.

Dem Islamkritiker Freysinger dürfte seine Amtsführung mit fragwürdigen Personalentscheiden zum Verhängnis geworden sein. Neben der «falschen Einschätzung» des Mobilisierungspotenzials von Voide sieht er sich vielmehr als Opfer einer Hetzjagd:
«Was ich mir anhören musste, war auf unbeschreiblich tiefem Niveau. Der Hass war unglaublich gross.» Freysinger spielt dabei insbesondere auf die hart geführte Kampagne einer Bürgerinitiative mit dem Slogan «Coupons-lui la voie» («Schneiden wir ihm den Weg ab») an. Vor vier Jahren holte sich Freysinger noch zahlreiche Stimmen von CVP-Stammwählern, die ihm diesmal offensichtlich die Gefolgschaft verweigerten. Er ist überzeugt, dass seine Bekanntheit gegen ihn gespielt hat. «Viele Bürger waren sich zu sicher, dass ich ohnehin wiedergewählt werde. Also gaben sie ihre Stimme lieber einem anderen Kandidaten», sagt er.

Oskar Freysinger – seine politische Karriere in Bildern:

Oskar Freysinger war der bekannteste und umstrittenste Walliser Politiker. Klicken Sie sich durch die Bilder seiner Karriere.
15 Bilder
Von 1999 bis 2002 ist Freysinger Präsident der SVP Wallis, die er mitbegründet hat.
National bekannt wird er, als er am SVP-Parteitag 2002 in Lupfig ein Spottgedicht vorträgt – mit einer Spitze gegen den damaligen Bundesratskandidaten Toni Bortoluzzi. (Symbolbild)
2003 zieht Freysinger in den Nationalrat ein, wie auch Pascale Bruderer (seit 2002 im Rat) und Christophe Darbellay.
Mit seinen Provokationen macht er sich schnell einen Namen und ziert bald die Titelblätter nationaler Medien. Hier geht es um ein Inserat, das Osama bin Laden auf einer ID zeigt.
Auch in seiner Partei steigt Freysinger auf. Ab 2012 ist er einer von sieben SVP-Vizepräsidenten.
Nach drei Legislaturen ist Schluss: Zu den nationalen Wahlen 2015 tritt der Walliser nicht mehr an.
Berührungsängste zu extrem rechten Kreisen kennt Freysinger nicht. Mehrmals gerät er deswegen in die Schlagzeilen. Er tritt etwa beim rechtsextremen deutschen Magazin «compact» auf.
2013 entsteht Wirbel um Freysinger, weil in einer SRF-Sendung die deutsche Reichskriegsflagge in seinem Büro zu sehen ist. Er lässt verlauten, ihm gefielen die Farben und Symbole...
...und nicht die Ideologie dahinter.
2013 gelingt ihm die Wahl in den Walliser Staatsrat.
Er ist Vorsteher des Departements für Bildung und Sicherheit.
Bei den Regierungsratswahlen 2017 peilt Freysinger die Wiederwahl an.
Im Wahlkampf startete Freysinger einen Frontalangriff auf die vorherrschende CVP.
Im ersten Wahlgang musste er bereits eine empfindliche Schlappe hinnehmen – er landete nur auf Platz 6. Nach dem zweiten Wahlgang war dann klar: Die Walliser haben ihn aus der Regierung gewählt.

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Entscheidung am 19. März

Das letzte Wort ist im Wallis freilich noch nicht gesprochen – wer in die Regierung einzieht, wird sich erst beim zweiten Wahlgang am 19. März weisen. Spannend wird insbesondere, ob Rossini den Vorsprung auf Freysinger halten kann und sich der Staatsrat des konservativen Kantons möglicherweise nur aus Vertretern von CVP und SP zusammensetzt. Ob aus Zwangsoptimismus oder echter Überzeugung – Freysinger blickt der zweiten Runde positiv entgegen: «Ich hoffe auf eine Reaktion der Bürger. Und sonst gehe ich dann halt in Pension und habe weniger Stress.»

Staatsratswahlen Stimmen erster Wahlgang:

Christophe Darbellay (CVP): 51 160, Jacques Melly (CVP/bisher): 50 518, Roberto Schmidt (CSP): 49 964, Esther Waeber-Kalbermatten (SP/bisher): 34 120, Stéphane Rossini (SP): 32 788, Oskar Freysinger (SVP/bisher): 30 857, Nicolas Voide (CVP): 26 300.