Schweiz
Nach «Speisekarte»-Provokation: Bundespräsident Ueli Maurer stellt EU-Botschafter in den Senkel

Michael Matthiessen, der EU-Botschafter in der Schweiz, drückt aufs Tempo beim Rahmenabkommen – auch mit verbalen Sticheleien. In seiner 1.-August-Rede hat Bundespräsident Ueli Maurer den Provokateur als «kurzsichtig» kritisiert.

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Er konterte die Provokation des EU-Botschafters: Bundespräsident Ueli Maurer hielt an der Fête des Vignerons eine 1.-August-Rede.

Er konterte die Provokation des EU-Botschafters: Bundespräsident Ueli Maurer hielt an der Fête des Vignerons eine 1.-August-Rede.

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Beziehungsstatus: kompliziert. So steht es um das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU. Brüssel scheint die Geduld mit der Alpenrepublik zu verlieren, weil sich diese partout nicht zu einem klaren Bekenntnis zum Rahmenabkommen durchringen mag. Den letzten politischen Nadelstich hat Brüssel mit der Nichtanerkennung der Börsenäquivalenz gesetzt.

Auch rhetorisch hat die EU in jüngster Vergangenheit aufgerüstet. Michael Matthiessen, der EU-Botschafter in Bern, nutzte vor wenigen Wochen einen Anlass der finnischen Botschaft in Bern, um flapsig gegen die Schweiz zu schiessen.

Wer nicht am Tisch sitzt, kommt auf die Speisekarte!»,

sagte er im Hinblick auf ein mögliches Scheitern des Rahmenabkommens. Oder anders formuliert: Wer nicht mitmacht, wird für sein Abseitsstehen unsanft bestraft. FDP-Fraktionschef Beat Walti fühlte sich an Peer Steinbrück erinnert, wie der «Blick» schrieb. Der frühere deutsche Finanzminister drohte der Schweiz wegen ihrer Steuerpolitik im Jahr 2009 mit der Kavallerie und der Peitsche. Steinbrücks Griff in den verbalen Giftschrank löste eine nachhaltige atmosphärische Verstimmung aus.

Der frühere deutsche Finanzminister Peer Steinbrück brüskierte die Schweiz mit einer Peitschendrohung.

Der frühere deutsche Finanzminister Peer Steinbrück brüskierte die Schweiz mit einer Peitschendrohung.

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An seiner 1.-August-Rede in Vevey hat Ueli Maurer auf die Matthiessens Gefressen-werden-Metaphorik reagiert. «Die Schweiz ist ein souveränes und eigenständiges Land. Dafür müssen wir uns nicht entschuldigen», sagte der Bundespräsident. Er wundere sich sehr über die Speisekarte-Aussage gegenüber einem erfolgreichen freiheitlichen Staat und seinen Bürgerinnen und Bürgern. «Sie ist kurzsichtig und zeugt von wenig Verständnis der politischen Verhältnisse in unserem Land. Unsere Geschichte und auch die persönlichen Erfahrungen haben uns gelehrt, dass Kleine und Grosse, Starke und Schwache gleich zu behandeln seien», ergänzte Maurer. Wenn die Macht oder eben Grossmächte dieses Recht brechen würden, setze sich die Schweiz zur Wehr.

Maurer glaubt nicht an Einigung bis Herbst

Im Rahmenabkommen wird unter anderem die Übernahme von EU-Recht durch die Schweiz geregelt. Der verbale Schlagabtausch zwischen dem EU-Botschafter und Maurer erfolgt in einer Zeit, in welcher der Abschluss des Vertrags auf der Kippe steht. Der Bundesrat hat im Juni «Klärungen» verlangt, namentlich bezüglich der Unionsbürgerrichtlinie, des Lohnschutzes und der staatlichen Beihilfen. Gegenüber der «Tagesschau» von SRF sagte Maurer, er glaube nicht, dass eine Einigung noch unter der Amtszeit von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf dem Tisch liegen werde. Ab 1. November wird die deutsche CDU-Politikerin Ursula von der Leyen Junckers Amt übernehmen.

Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP, BL), die Präsidentin der aussenpolitischen Kommission, mag sich nicht direkt zu Matthiessens Aussage und Maurers Replik äussern. Sie sagt aber:

Provokationen, egal von welcher Seite sie stammen, dienen der Sache nicht.

Der Luzerner FDP-Ständerat und Aussenpolitiker Damian Müller taxiert Maurers Replik an Matthiessen als «galant». Er fragt sich aber, ob es angebracht sei, in einer 1.-August-Rede überhaupt auf die Aussage des EU-Botschafters einzugehen. Klar ist aber, dass auch Müller sie für deplatziert hält:

So geht man nicht um unter Freunden.