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Schweiz
Wegen eines Juden-Vergleichs trat Nationalrat Jonas Fricker zurück. Neun Monate später drängt der Präsident seiner Kantonalpartei auf ein Comeback. Der Umworbene lässt sich alle Optionen offen.
Im Herbst 2017 beging Nationalrat Jonas Fricker den Fehler, der seine politische Karriere bis auf weiteres beenden sollte. In der Debatte zur Fair-Food-Initiative verglich er Schweinetransporte mit der Deportation von Juden im Zweiten Weltkrieg.
Ein grober Fauxpas. Am selben Morgen kehrte er zurück ans Rednerpult, entschuldigte sich
mit nervösem Lächeln für den Vergleich – doch der Schaden war angerichtet.
Nach zwei Tagen Negativschlagzeilen – der «Blick» platzierte Fricker auf der Frontseite – gab er den Verzicht auf sein Amt bekannt. «Dies ist das stärkste Zeichen, das ich setzen kann», schrieb er in einem Brief an seine Partei. Es war ein abrupter Rücktritt, ein Abgang, wie er in der Schweiz selten vorkommt.
Heute, neun Monate später, ist es ruhig geworden um Fricker. Er ist Hausmann, kümmert sich um die Kinder, seine Frau arbeitet. Nichts Ungewöhnliches für einen grünen Idealisten. Das Kapitel Politik ist für ihn aber nicht erledigt.
Im Hinblick auf die National- und Ständeratswahlen 2019 schliesst er eine erneute Kandidatur nicht aus: Auf Anfrage der «Schweiz am Wochenende» teilt er am Dienstag etwas umständlich mit, er spiele noch nicht mit dem Gedanken, zu kandidieren, aber er beobachte die Situation.
Deutlicher wird er am Donnerstag auf Twitter: «Die Entscheidung ist offen», schreibt er seinen Followern. Klar ist: Die Nationalratskandidatur ist für ihn ein Thema. Im Lauf des Sommers will er sich entscheiden. Doch will ihn die Führung der Aargauer Grünen überhaupt zurück?
Wahlen 2019: Kandidatur noch offen
— Jonas Fricker (@FrickerJonas) 12. Juli 2018
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Es fragen mich immer wieder Journalisten, ob ich bei den Wahlen 2019 wieder für ein Amt kandidieren werde. Darum hier öffentlich: „Diese Entscheidung ist noch offen.“
Ich wünsche allen einen schönen Sommer.
Recherchen zeigen: Fricker liegt eine Anfrage seiner Kantonalpartei vor. «Ich habe Jonas Fricker vor zwei Monaten erstmals angefragt, ob er sich eine Kandidatur bei den Wahlen 2019 vorstellen kann», bestätigt Daniel Hölzle, Grossrat und Präsident der Grünen Aargau.
Hölzle kündigt an, er werde Fricker in den nächsten Wochen wieder kontaktieren. «Als Parteipräsident habe ich selbstverständlich Interesse an starken und bekannten Namen auf unserer Nationalratsliste. Das ist Jonas Fricker zweifelsohne. Er ist ein Grüner durch und durch und würde uns viele Stimmen bringen.»
Das letzte Wort haben die Mitglieder der Kantonalpartei, deren Nominationsversammlung im Februar stattfindet. Der Beschluss wird schwieriger sein, als dies Hölzles Aussagen vermuten lassen. Nationalrätin Irène Kälin, die den Sitz von Fricker geerbt hat, will laut Hölzle wieder antreten.
Eine gleichzeitige Kandidatur Frickers würde wohl zur Kampfwahl führen: Der Wähleranteil der Grünen im Aargau ist zu gering für zwei Sitze. Mit den Wahlen 2015 im Hinterkopf hat Kälin durchaus Grund, um ihren Sitz zu zittern: Damals stand sie auf dem ersten Listenplatz und wurde dann trotzdem von Fricker überholt. Sie war am Freitag nicht erreichbar.
Fricker selbst dürfte sich dieser Konstellation bewusst sein, will sich aber nicht weiter äussern, solange der Entscheid über die Kandidatur aussteht.
Er ist nicht der einzige potenzielle Kandidat für ein spektakuläres Comeback bei den Aargauer Grünen. Auch der frühere Badener Stadtammann und alt Nationalrat Geri Müller schliesst eine Kandidatur nicht per se aus: «Bis jetzt habe ich mir keine Gedanken zu dieser Frage gemacht.»
Müller, der seine alte Beratungs-Firma wieder aktiviert hat, sagt, er sei bis heute «ein durch und durch politischer Mensch. Die Grüne Partei ist mir sehr nah.» In der Frühlings- und Sommersession dieses Jahres ist er zwei Mal nach Bern gereist und hat sich in der Wandelhalle blicken lassen.
Im Gegensatz zu Fricker dürfte sein Rückhalt in der Kantonalpartei aber eher gering sein. Präsident Hölzle sagt zu einem allfälligen Comeback von Geri Müller: «In seinem Fall rechne ich eher nicht mit einer erneuten Kandidatur. Er hat eine lange Karriere hinter sich. Jetzt braucht die Partei neue Gesichter.» Bis die Nationalratsliste steht, werden die Spekulationen weitergehen.