Im Ständerat dürfte die radikale Volksinitiative zur Abschaffung der Radio- und TV-Gebühren heute Mittwoch kaum Unterstützung finden.
Erst willigt er zu einem Treffen ein, dann hat er plötzlich keine Lust mehr auf einen Drink in der von ihm vorgeschlagenen Old Fashion Bar in Zürich: Olivier Kessler traut keinem Journalisten. Zwar fühlt der «No Billag»-Initiant sich und sein Ansinnen seit längerem unfair dargestellt. Endgültig den Glauben verloren aber hat er nach zwei Berichten von letzter Woche: Gleichentags berichteten die SRF-«Rundschau» und die «WOZ» über einen Auftritt Kesslers an einer Konferenz des Ostschweizer Sektenpredigers Ivo Sasek im März 2015. Kessler wittert eine Verschwörung, eine konzertierte Aktion der kritischen Journalisten.
«Praktisch gleichzeitig haben uns mehrere Medienhäuser die haargenau gleichen Fragen gestellt, in denen es nicht um den Inhalt der Initiative und um die Sache ging, sondern die klar zum Ziel hatten, die «No Billag»-Initiative und deren Initianten zu diskreditieren», schreibt Kessler per E-Mail. «Hier an einen riesigen Zufall zu glauben, fällt uns schwer.» Der Versuch, die Diskussion auf «Nebengeleise» zu verschieben, sei «einer Demokratie unwürdig».
Heute debattiert man in Bundesbern erstmals über die «No Billag»-Initiative. Voraussichtlich wird sich kein einziger Ständerat dafür aussprechen, die SRG-Gebühren abzuschaffen. Zu radikal ist das Begehren selbst jenen SVP- und FDP-Politikern der kleinen Kammer, welche die Expansion der SRG bremsen möchten. "Viele Politiker halten sich zurück aus Angst, von den SRG-Sendern nicht mehr berücksichtigt zu werden", sagte Kessler letztes Jahr in einem Interview zur "Nordwestschweiz".
Unmittelbar bevor der Abstimmungskampf mit Beginn der Parlamentsdebatte in die heisse Phase tritt, wechselt das Komitee darum seine Strategie, wie die «Nordwestschweiz» weiss: Kessler, in der öffentlichen Wahrnehmung bis anhin einziger Kopf hinter dem Begehren, will in den Hintergrund treten. «Je mehr wir uns dem Abstimmungskampf nähern, desto mehr werden Sie die engagierten Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus dem Vorstand, dem Komitee und dem Volk hören und sehen», schreibt er.
Einer von Kesslers Assistenten ist Samuel Hofmann, 29-jähriger Anzeigen-Leiter der «Weltwoche» sowie Kameramann für seinen Chef Roger Köppel, wenn dieser per Video über die Inhalte seines Magazins informiert. In den letzten Wochen hat der zum «No Billag»-Argumentationschef ernannte Jungfreisinnige ein 28-seitiges Positionspapier erstellt. «Wir leben in einem vergleichsweise freiheitlichen Land», sagt er darin. «Ein teures Zwangsabo für bestimmte Medien, das man nicht kündigen kann, nimmt den Menschen jedoch die Freiheit der Selbstbestimmung.»
Politisch tickt Hofmann wie Kessler: Selbst nennen sie sich liberal, andere sprächen eher von libertär oder anarchokapitalistisch – ihr Marktglaube ist unerschütterlich. Hofmann und der bei der Jungen SVP gestartete Kessler sind seit der Geburtsstunde von «No Billag» dabei: Seit jenem Abend im Januar 2013, als sich Mitglieder der beiden rechtsbürgerlichen Jungparteien in Zürich zur Veranstaltung «Aussteigen, Endstation Sozialismus!» trafen.
Nicht gerade als Sozialist bekannt ist auch Hofmanns Chef, der «Weltwoche»-Verleger und SVP-Nationalrat Roger Köppel. Dennoch findet er die «No Billag»Initiative «zu radikal», wie er auf Anfrage erklärt. Der Abschaffung der Gebühren aber zieht er die «Rückkehr zum klassischen dualen System» vor. Sprich: Gebühren der SRG, Werbung den Privaten. Das Onlinewerbeverbot zu verlängern – was selbst der SRG-freundliche Bundesrat möchte – reiche nicht, so Köppel.
Libertären Parlamentariern in FDP und SVP dient die «No Billag»-Initiative als willkommene Drohkulisse: Sie hoffen, die SRG-Gebühren mittels Gegenvorschlag auf die Hälfte oder wenigstens um einen Drittel kürzen zu können. Dann könne die Initiative zurückgezogen werden, finden viele. Doch nicht die Initianten. «Ein Rückzug kommt nicht infrage», sagt Hofmann. «Das ist eine Prinzipienfrage: Wir sind gegen staatlichen Zwang.» Der einzige moralisch wie ökonomisch richtige Billag-Betrag sei null Franken.